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Die Vampire

Titel: Die Vampire
Autoren: Kim Newman
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Namen.«

    »Arthur soll in den Unterlagen nachsehen«, sagte der Direktor. Er blickte Lestrade an, deutete jedoch auf Morrison. »Sie werden sich gewiss für die Einzelheiten interessieren.«
    »Wieder ein Straßenmädchen?«, fragte Morrison.
    »Ja, natürlich«, antwortete Geneviève.
    Der junge Mann blickte zu Boden. »Ich glaube, sie war schon einmal bei uns«, sagte er. »Eine von Booths verlorenen Seelen.« Als er den Namen des Generals aussprach, verzog er angewidert das Gesicht. Für die Heilsarmee waren die Untoten rettungslos verloren, schlimmer noch als andere Trunkenbolde. Obgleich warmblütig, konnte Morrison sich diesem Urteil nicht anschließen.
    Der Direktor trommelte mit den Fingern auf seinen Schreibtisch. Er vermittelte wie gewohnt den Anschein, als habe sich soeben unvermutet die Last der Welt auf seine Schultern gesenkt.
    »Können Sie mich entbehren?«
    »Wenn er von seinem Kricketausflug zurück ist, kann Druitt an Ihrer Stelle den Rundgang machen. Und wenn die Vorlesungspläne unter Dach und Fach sind, kann Arthur übernehmen. Wir hatten Sie, äh, ohnehin nicht vor zwei oder drei Nächten zurückerwartet.«
    »Vielen Dank.«
    »Nicht der Rede wert. Halten Sie mich auf dem Laufenden. Was ist das nur für eine grässliche Geschichte.«
    Geneviève dachte ebenso. »Ich will sehen, was ich tun kann, um die Einheimischen zu beruhigen. Lestrade rechnet fest mit einem Aufruhr.«
    Der Polizist machte einen unsteten, verlegenen Eindruck. Einen Moment lang kam Geneviève sich schäbig vor, weil sie mit dem Neugeborenen ihren Spott getrieben hatte. Sie tat ihm Unrecht.
    »Vielleicht kann ich ja tatsächlich etwas unternehmen. Mit einigen
der neugeborenen Mädchen reden. Ihnen einschärfen, sich vorzusehen, sich umzuhören, ob womöglich jemand etwas weiß.«
    »Nun denn, Geneviève. Viel Glück. Guten Abend, Lestrade.«
    »Gute Nacht«, erwiderte der Kriminalbeamte und setzte seinen Hut auf, »Dr. Seward.«

3
    Soirée Noire
    F lorence Stoker läutete zaghaft ihr Glöckchen, jedoch nicht etwa, um das Dienstmädchen herbeizurufen, sondern um die Aufmerksamkeit ihrer Salongäste für sich zu gewinnen. Das kleine Schmuckstück bestand aus Aluminium, nicht aus Silber. Jäh verstummten Plaudereien und Geschirrgeklapper. Die Teegesellschaft merkte auf, der Hausherrin Gehör zu schenken.
    »Es erwartet Sie nun eine wichtige Bekanntmachung«, verkündete Florence mit derartigem Entzücken, dass der Singsang von Clontarf, den sie gewöhnlich rigoros zu unterdrücken verstand, sich unbemerkt in ihre Stimme schlich.
    Von einem Augenblick zum anderen war Beauregard in sich gefangen. Zwar konnte er mit Penelope an seiner Seite kaum umhin, die Hürde zu nehmen, doch hatte sich die Lage unversehens geändert. Seit einigen Monaten schon schwankte er am Rande eines Abgrunds. Nun aber stürzte er, innerlich schreiend, auf die zweifelsohne zerklüfteten Felsen zu.
    »Penelope, Miss Churchward«, begann er und hielt inne, sich zu räuspern, »hat mir die Ehre erwiesen …«
    Alle Anwesenden hatten sogleich begriffen, dennoch musste er
die Worte über die Lippen bringen. Ihn dürstete nach einem weiteren Schluck von dem dünnen Tee, den Florence nach Art der Chinesen in exquisiten Schälchen servierte.
    Voller Ungeduld brachte Penelope den Satz an seiner statt zu Ende. »Wir wollen uns vermählen. Kommenden Frühling.«
    Mit schlanken Fingern umklammerte sie seine Hand. Als sie noch ein Kind gewesen war, hatte der meistgehörte Satz aus ihrem Munde gelautet: »Ich will aber jetzt.«
    Er war gewiss puterrot angelaufen. Dies ging gegen jegliche Vernunft. Er taugte schwerlich für den Part des ohnmächtigen Jünglings. Er war bereits einmal verheiratet gewesen … Vor Penelope, mit Pamela. Der anderen, der älteren Miss Churchward. Das musste ja Anlass zu Gerede geben.
    »Charles«, sagte Arthur Holmwood - Lord Godalming -, »meinen Glückwunsch.«
    Mit sarkastischem Grinsen schüttelte ihm der Vampir überschwänglich die freie Hand. Beauregard war überzeugt, dass der Untote wusste, wie leicht er ihm mit seinem Händedruck die Knochen hätte brechen können.
    Seine Verlobte stand ein wenig abseits, von Damen umringt. Kate Reed, die dank Brille und widerspenstiger Frisur wie geschaffen schien, Penelopes engste Vertraute abzugeben, half ihr, Platz zu nehmen, und betrachtete sie voller Bewunderung. Sie schalt ihre Freundin, weil diese es unterlassen hatte, sie in ihr Geheimnis einzuweihen. Penelope beschwichtigte sie mit
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