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Die Vampire

Titel: Die Vampire
Autoren: Kim Newman
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wie ein Kellner eine Serviette über seinen Arm.
    »Ich danke Ihnen, Art«, plapperte Florence. »Ich bin einfach zu schwach …«
    Er setzte ein schiefes Lächeln auf, das einen langen Augenzahn entblößte, stieß einen Fingernagel in den Korken und schnippte ihn aus dem Flaschenhals, als wolle er eine Münze in die Luft werfen. Der Champagner schäumte hervor, und Godalming füllte die Gläser, die Florence unter die Flasche hielt. Seine Herrlichkeit quittierte den verhaltenen Applaus mit einem stattlichen Grinsen. Für einen Toten strotzte Godalming geradezu vor Leben. Die anwesenden Frauen hatten nur noch Augen für den Vampir. Penelope machte da keine Ausnahme, wie Beauregard unwillig bemerkte.
    Seine Verlobte war ihrer Cousine nicht sehr ähnlich. Gleichwohl überraschte sie ihn bisweilen mit einer Redensart Pamelas oder vollführte eine triviale Geste, die eine Manieriertheit seiner verstorbenen Gattin auf das Genaueste kopierte. Als er sich vor elf Jahren das erste Mal vermählt hatte, war Penelope neun Jahre alt gewesen. Er entsann sich eines recht boshaften kleinen Mädchens mit Matrosenhut und Schürzenkleid, das seine Familie geschickt manipulierte, sodass im ganzen Hause sich alles nur um es drehte. Er entsann sich, dass er mit Pamela auf der Terrasse gesessen und der kleinen Penny zugesehen hatte, wie sie den Gärtnerjungen mit Hohn und Spott zu Tränen trieb. Auch jetzt noch verbarg sich eine scharfe Zunge im samtenen Mund seiner zukünftigen Braut.
    Die Gläser wurden verteilt. Penelope brachte es fertig, ihres
entgegenzunehmen, ohne seine Hand auch nur einen Augenblick loszulassen. Nun, da sie ihren Preis errungen hatte, ließ sie ihn sich nicht mehr nehmen.
    Es blieb selbstredend Godalming vorbehalten, den Toast auszubringen. Er hob sein Glas, die Luftblasen brachen das Licht, und sprach: »Was mich betrifft, so ist dies ein trauriger Moment, denn ich erleide einen großen Verlust. Erneut hat mir mein guter Freund Charles Beauregard das Nachsehen gegeben. Ich werde es wohl nie verwinden, und doch muss ich anerkennen, dass Charles der Bessere von uns beiden ist. Ich hoffe zuversichtlich, dass er meiner allerliebsten Penny zur Seite stehen wird, wie es sich für einen guten Ehemann gebührt.«
    Beauregard befand sich im Blickpunkt des Interesses, und ihn beschlich leises Unbehagen. Es widerstrebte ihm, auf diese Weise angestarrt zu werden. Für einen Mann seines Faches war es unklug, auch nur die geringste Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    »Auf die wunderschöne Penelope«, brachte Godalming einen Toast aus, »und den beneidenswerten Charles …«
    »Penelope und Charles«, hallte es von allen Seiten wider.
    Penelope schnurrte wie eine Katze, denn die Luftblasen kitzelten sie in der Nase; Beauregard nahm einen unvermutet kräftigen Schluck. Alle tranken, mit Ausnahme Godalmings, der sein Glas unberührt auf das Tablett zurückstellte.
    »Pardon«, sagte Florence, »ich hatte ganz vergessen.«
    Die Hausherrin rief abermals nach Bessie.
    »Lord Godalming trinkt keinen Champagner«, erklärte sie. Verständig knöpfte das Mädchen die Manschette seiner Bluse auf.
    »Danke, Bessie«, sagte Godalming. Er nahm ihre Hand, als wollte er sie küssen, dann kehrte er sie nach oben, wie um daraus wahrzusagen.
    Beauregard konnte sich eines schwachen Ekelgefühls nicht erwehren,
doch niemand sonst verlor auch nur ein Wort darüber. Er fragte sich, wessen Gleichmut vorgespiegelt sein mochte und wer tatsächlich mit den Gewohnheiten jener Kreatur vertraut war, in die Arthur Holmwood sich verwandelt hatte.
    »Penelope, Charles«, sagte Godalming, »auf euer Wohl …«
    Dank eines Mundwerks wie das einer Kobra riss Godalming den Schlund weit auf, fasste Bessies Handgelenk, ritzte mit seinen spitzen Schneidezähnen leicht die Haut und leckte ein schmales Blutrinnsal fort. Die Gesellschaft war wie verzaubert; Penelope schmiegte sich näher an Charles. Sie presste die Wange gegen seine Schulter, ohne den Blick von Godalming und dem Dienstmädchen zu wenden. Entweder war Bessies Seelenruhe geheuchelt, oder es scherte sie wahrhaftig nicht, dass der Vampir sich von ihr nährte. Während Godalming noch schlürfte, begann sie unsicher zu wanken. Ihre Lider flatterten, gefangen zwischen Lust und Schmerz. Schließlich sank das Mädchen ohne einen Laut in Ohnmacht, und Godalming ließ von seinem Handgelenk ab, hielt seinem Sturz mit der Gewandtheit eines hingebungsvollen Don Juan auf und hielt es aufrecht.
    »So wirke ich auf
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