Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vampire

Titel: Die Vampire
Autoren: Kim Newman
Vom Netzwerk:
honigsüßer Stimme und entgegnete, sie solle doch nicht solch ein Spielverderber sein. Kate gehörte zu den Neuen Frauen, schrieb für ›Titbits‹ Artikel über das Zweiradfahren und war in jüngster Zeit ganz außer sich vor Begeisterung über den sogenannten »pneumatischen Reifen«.
    Penelope wurde bestürmt, als habe sie soeben annonciert, sie sei entweder todkrank oder aber guter Hoffnung. Wenn Penelope
in Beauregards Nähe weilte, war die Erinnerung an Pamela nicht fern, die bei der Niederkunft gestorben war, ihre großen Augen im Schmerz fest verschlossen. Vor sieben Jahren, in Jagadhri. Das Kind, ein Junge, hatte seine Mutter um kaum eine Woche überlebt. Beauregard dachte nur ungern daran zurück, dass man ihn gewaltsam hatte hindern müssen, jenen Narren von Bezirksarzt auf der Stelle zu erschießen.
    Florence besprach sich mit Bessie, der letzten ihr verbliebenen Hausangestellten. Sie betraute das dunkeläugige Mädchen mit einem Geheimauftrag.
    Whistler, der ewig grinsende Maler aus Amerika, drängte sich neben Godalming und versetzte Beauregard einen scherzhaften Knuff in die Seite.
    »Charlie, Sie sind ein hoffnungsloser Fall«, sagte er und fuchtelte mit einer dicken Zigarre vor Beauregards Gesicht umher wie mit einem Messer. »Wieder einmal ist ein braver Mann dem Feind in die Hände gefallen.«
    Mit Mühe brachte Beauregard ein Lächeln zuwege. Er hatte durchaus nicht die Absicht gehabt, bei Mrs. Stokers soirée noire seine Verlobung bekanntzugeben. Seit seiner Rückkehr nach London war er ein seltener Gast bei ihren nächtlichen Zusammenkünften. Obgleich das Rätsel ihres verschwundenen Gatten weiterhin der Lösung harrte, blieb Florence’ Stellung als Gastgeberin illustrer Modehelden und Berühmtheiten unangefochten. Niemand schien wagemutig oder gewissenlos genug, sich nach Brams Verbleib zu erkundigen, der Gerüchten zufolge ob eines Wortstreits mit dem Haushofmeister in einer Frage staatlicher Zensur nach Devil’s Dyke verbracht worden war. Allein der ausgezeichneten Intervention durch Henry Irving, Stokers Brotherrn, war es zu verdanken, dass Bram das Schicksal erspart blieb, die Nachfolge seines Freundes Van Helsing auf einem Pfahl vor den Toren des Palastes anzutreten.

    Von Penelope in diesen kleinen Kreis gelockt, bemerkte Beauregard, dass auch andere nicht erschienen waren. Mit Ausnahme Godalmings war kein einziger Vampir zugegen. Viele von Florence’ früheren Gästen - allen voran Irving und seine Primadonna, die unvergleichliche Ellen Terry - hatten die Verwandlung vollzogen. Andere mochten vermutlich nicht einmal gerüchteweise mit dem republikanischen Gedanken in Verbindung gebracht werden, obgleich die Hausherrin, die bei ihren soirées noires zu Debatten ausdrücklich ermunterte, nicht selten ihr Desinteresse an der Politik bekundete. Florence - deren unermüdliche Anstrengungen, sich mit Männern zu umgeben, die sie an Brillanz weit übertrafen, und Frauen, die es an Schönheit schwerlich mit ihr aufzunehmen vermochten, Beauregard als etwas ärgerlich empfand, wie er sich eingestehen musste - stellte das Herrschaftsrecht der Königin nicht im mindesten infrage, ebenso wenig, wie sie das Recht der Erde hinterfragte, um die Sonne zu kreisen.
    Bessie kam mit einer verstaubten Champagnerflasche zurück. Diskret entledigte man sich der Teeschälchen und Untertassen. Florence gab ihrer Bediensteten einen winzigen Schlüssel, und das Mädchen öffnete einen kleinen Schrank, worauf ein wahrer Gläserwald zum Vorschein kam.
    »Einen Toast«, insistierte Florence, »auf Charles und Penelope.«
    Penelope war an seine Seite zurückgekehrt, drückte seine Hand, führte ihn den Gästen vor.
    Florence bekam die Flasche gereicht. Sie betrachtete sie, als könne sie sich nicht entsinnen, an welchem Ende sie zu öffnen sei. Gewöhnlich pflegte ein Butler die Flaschen zu entkorken. Einen Moment lang war sie ratlos. Godalming sprang ihr bei, machte sich mit überaus lebhafter Anmut, in der sich Schnelligkeit und offensichtliche Begierde paarten, ans Werk und ergriff die Flasche. Zwar war er mitnichten der erste Vampir, den Beauregard
zu Gesicht bekam, doch war er der einzige, der sich seit seiner Verwandlung derart augenscheinlich verändert hatte. Die meisten Neugeborenen haderten mit ihren begrenzten Fähigkeiten, Seine Herrlichkeit aber hatte sich, dank der Ausgeglichenheit und Ruhe, die in seiner Herkunft gründete, mühelos damit zurechtgefunden.
    »Sie gestatten«, sagte er und drapierte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher