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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts
Autoren: W Freund
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der Kopf. Alma? Clara? Durfte er denn jetzt gar keine Frage mehr stellen?
    »Wie haben Sie mich gefunden?«
    Peregrin Aber lächelte. »Ruben wusste, wo du steckst, und ich nehme an, Clara wusste es auch.« Dann verschwand sein Lächeln und er fing an zu flüstern. »Nur Alma hatte keine Vorstellung, glaube ich.« Der Advokat setzte eine Verschwörermiene auf. »Ich bin mir nicht sicher, Junge, aber ich vermute, Clara hat alles darangesetzt, Alma zu überleben, um dich erst dann zu holen.« Er schüttelte verständnislos den Kopf. »Ein aussichtsloses Unterfangen, wenn man bedenkt, dass Clara älter war und dazu sehr gebrechlich. Weißt du, es ist wirklich ein äußerst merkwürdiges Testament.« Er nickte vor sich hin und das Gespräch erstarb.
    Die Kutsche kam voran. Es hatte zu dämmern begonnen und am Himmel tobten dunkle Wolken. Peregrin Aber war das Kinn auf die Brust gesunken. Er schlief den Schlaf des Gerechten.
    Jonas sah den Schatten zu, wie sie draußen über das Land huschten, vom Wind und den Wolken gescheucht. Er hätte gern einen klaren Gedanken gefasst, aber das gelang ihm nicht. Alles war ungewiss und Jonas hatte Angst. Nur zu gern hätte er sich jetzt auf Brands Küchenbank zusammengerollt. Und bestimmt hätte er Brand diesmal keine Fragen gestellt. Er suchte in seiner Hosentasche nach dem ersten Zettel, hielt ihn im Dämmerlicht neben den zweiten und versuchte, beide zusammenzuzählen, als handelte es sich um eine Rechenaufgabe. Das Ergebnis war mager. Er hieß Jonas, er sollte nichts über seine Herkunft erfahren und niemandem verraten, dass er zwölf Jahre alt war. Ganz so, als wäre er selbst ein Geheimnis.
    Jonas schloss die Augen. Was wusste er noch? Ein Diener namens Ruben hatte Brand dafür bezahlt, dass er ihn großzog, eine Baronin hatte ihm ihr vornehmes Haus vermacht und ihre Cousine würde ihn dafür hassen. Er öffnete die Augen wieder. Draußen war es plötzlich stockfinster. Nur das dünne Licht der Laternen am Bock irrte noch über den gefrorenen Boden. Jonas saß reglos da, sah im ersten Mondlicht die Wolken fliehen und lauschte den ruhigen Atemzügen Peregrin Abers. Das ging so lange so, bis im Laternenlicht der Kutsche die großen Bruchsteine einer Mauer erschienen. Sie passierten ein Tor! Plötzlich war Jonas hellwach und sein Herz raste. Sie fuhren einen letzten Hügel hinauf! Unter den Rädern der Kutsche knirschten Kiesel. Jonas griff sich an den Hemdkragen. Auf einmal bekam er keine Luft.
    »Was?« Peregrin Aber schreckte hoch und stieß seinen Zylinder von der Bank. Im Halbdunkel begann er nach ihm zu tasten. »Wir sind da, ja?« Er hatte den Zylinder gefunden. »Ich muss für einen Augenblick eingeschlafen sein.« Er scheuchte einen Frosch aus seinem Hals.
    Die Kutsche hielt. Jonas hörte Ruben vom Bock springen und seine Schritte näher kommen. Dann öffnete der Diener den Schlag.
    »Das ging ja flott!«, rief Peregrin Aber fröhlich, war schon auf den kurzen, dünnen Beinen und stieg als Erster aus.
    Jonas blieb sitzen. Er machte sich ganz klein, ballte die Hände zu Fäusten und kniff die Augen zu. Er wollte nicht wissen, wo er angekommen war.
    Dann spürte er, wie jemand seine Schulter berührte, und sah auf. Ruben zwinkerte ihm zu, öffnete den Mund und formte mit den Lippen ein O.
    Jonas verstand.
    Komm!

Das 3. Kapitel
Ein blinder Passagier
    An Rubens Arm stolperte Jonas in die kalte Nacht. Mit klopfendem Herzen sah er an dem alten Haus hinauf. Im fahlen Mondlicht leuchtete die Bruchsteinfassade beinahe weiß. Efeu rankte an ihr hinauf, und weil die Nacht keine Farben kennt, waren die Blätter grau wie Staub, der aus dem Gemäuer quoll. Alle Fenster waren schwarz, und die vielen dünnen Kamine auf dem Dachfirst drängten sich zusammen, als würden sie frieren.
    In Jonas stritten Angst und Neugier. Wunderlich war so alt, wie nur Steine werden, mehr eine Burg als ein Haus. Über der mächtigen Tür, vor der die Kutsche zum Stehen gekommen war, ragte ein bröckelnder Erker hervor, und wenn Jonas den Kopf weit in den Nacken legte, konnte er die Zinnen eines kreisrunden Turms ausmachen, der sich irgendwo hinter der Fassade erhob. Jonas hörte eine Eule rufen, es ging ihm durch Mark und Bein. Wunderlich war ein Ort am Ende vom Ende der Welt.
    Peregrin Aber streckte sich.
    »Tja«, sagte er leutselig. »Das ist es also, junger Jonas Nichts. Weiß Gott ein altes Gemäuer.« Er zog ein endlos langes Taschentuch aus seinem Ärmel und schnäuzte sich ausführlich.
    Hinter den
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