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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts
Autoren: W Freund
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trotzig die Stimme. »Der junge Herr Jonas Nichts, jawohl!«, sagte er. »Und jetzt lassen Sie uns doch nicht so lange in der Kälte stehen, Tabbi!«
    Wiederum fasste er Jonas am Ellbogen und schob ihn an Tabbi vorbei durch die Tür.
    Drinnen war es noch finsterer als draußen. Jonas roch Stein und spürte einen großen Raum. Plötzlich hallten ihre Schritte. Sehen jedoch konnte Jonas nichts.
    »Ob Sie bitte Licht machen könnten, Tabbi?« Peregrin Aber klang etwas ungehalten.
    Die Tür fiel zurück ins Schloss. Jonas hörte das Tappen der Frau auf dem Fußboden, dann wurde ein Streichholz angerissen und gleich darauf flackerte eine Kerzenflamme auf. Ihr Licht war zu schwach, um den Raum zu erhellen, es malte nur Schatten an die nächste Wand. Immerhin sah Jonas jetzt Tabbis langes Gesicht und ihr kräftiges Kinn, von unten beleuchtet. Sie war nicht mehr jung, graues Haar hing ihr ungekämmt in den Nacken, und tiefe Sorgenfalten erschienen auf ihrer Stirn, als sie auf Jonas herabsah.
    »Ich bin Tabbi«, sagte sie. »Die Wirtschafterin. – Baroness Claras Köchin«, fügte sie noch hinzu und bekreuzigte sich schnell mit der freien Hand.
    Jonas hörte staunend zu. Er kam sich klein und schwach vor in diesem großen, unsichtbaren Raum.
    »Es ist wohl niemand aufgeblieben, was?« Peregrin Aber ließ den Blick durch die Dunkelheit schweifen. Zusammen standen sie in einem schmalen Ring aus Licht, einer wunderlichen, winzigen Insel.
    Tabbi kam noch einen Schritt näher. »Alma ist schon seit heute Morgen fort«, raunte sie. Dann warf sie einen Blick über die Schulter, als wollte sie sich davon überzeugen, dass niemand lauschte. »Im Spielzimmer «, flüsterte sie dann.
    Jonas trat von einem Fuß auf den anderen. War Alma nicht schon eine alte Frau?
    Doch Peregrin Aber wollte offenbar nichts von Alma hören. »So«, sagte er unwirsch. »Das mag sein. Wir haben nicht gegessen, Tabbi. Es ist doch wohl noch etwas in der Küche?«
    Aber zu Jonas’ Entsetzen war es nicht Tabbi, die antwortete. Antwort kam vielmehr aus der Tiefe des dunklen Raums. Von oben.
    »Es ist bestimmt noch etwas übrig, meine Herren.«
    Selbst der tapfere Peregrin Aber zuckte zusammen, und Jonas glaubte, sein erstes Gespenst zu sehen. Brand hatte oft von den Geistern der Heide erzählt, unter ihnen ein kopfloser Reiter. Dem Gespenst, das er jetzt sah, fehlte allerdings der Körper. Hoch über ihnen nämlich, im hinteren Teil des großen Raums, erschien ein bloßer Kopf und schwebte langsam zu ihnen herab. Kerzenlicht spiegelte sich in den runden Gläsern einer Brille, Jonas machte eine hohe, schmale Stirn aus und eine scharfe Nase.
    »Ich hoffe, Ihre Reise war angenehm, Herr Doktor. Ich habe Sie erwartet.« Die Stimme war so dunkel wie der Raum, aus dem sie kam.
    »Hochwürden!«, stieß Peregrin Aber aus und dazu jede Menge Luft.
    Jonas begriff. Da stieg jemand eine im Dunkel liegende Treppe herunter und war so schwarz gekleidet wie die Nacht. Stufe um Stufe senkte der Kopf sich zu ihnen herab. Schließlich hallten Schritte über den Fußboden.
    Niemand sprach, bis der Mann ihren kleinen Kreis erreicht hatte. Er hielt sich sehr aufrecht und alles an ihm war lang, das Gesicht, die Hände, mit denen er den Kerzenständer hielt, sogar die Zähne. Sie waren dünn und spitz wie Nägel.
    »Guten Abend«, sagte der Mann, aber das klang wie eine Drohung.
    »Guten Abend«, antwortete Peregrin Aber mit Nachdruck. »Sie steigen ja zu uns herab wie der Heilige Geist, Hochwürden.«
    Der Mann sah auf Peregrin Aber hinab und begann dann Jonas zu mustern. Immer noch waren seine Augen unsichtbar, in den Brillengläsern flackerte das Licht der Kerze.
    »Wer ist das , Herr Doktor?«, sagte der Mann, als hielte er mit spitzen Fingern etwas hoch.
    Peregrin Abers Lippen wurden schmal. »Wir wollen nicht so tun, als wüssten wir nicht, dass Veränderungen ins Haus stehen, Hochwürden. Das ist der junge Herr Jonas Nichts, den ich soeben abgeholt habe. Und das«, sagte der Advokat und wandte sich Jonas zu, »ist der Herr Pfarrer Irmingast. Baroness Almas geistiger Beistand. Habe ich das richtig ausgedrückt, Hochwürden?«
    Irmingast überhörte die Frage. Nach wie vor hatte er nur Augen für Jonas. Unsichtbare Augen, der spiegelnden Brillengläser wegen.
    » Nichts heißt du, mein Junge? Ein ungewöhnlicher Name. Was soll er bedeuten?« Der Pfarrer wandte sich an den Advokaten. »Ein Bastard, nehme ich an.«
    Jonas wusste, was ein Bastard war, ein uneheliches Kind. Aber ob
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