Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts
Autoren: W Freund
Vom Netzwerk:
sich dafür, dass er Jonas in der Ferne verlassen hatte. Er schämte sich sogar dafür, dass Faramund ihn als Geisel genommen hatte. Doch das war alles Unsinn. Ole war Ole und gut. Er hatte keinen Grund, sich zu schämen. Viel besser wäre er stolz auf sich.
    Jonas streckte Ole den Arm hin, die Hand verschlossen. »Wir alle brauchen jemanden, der auf uns aufpasst«, sagte er. »Nicht wahr?« Er öffnete die Finger wie einen Blumenkelch. In seiner Hand lag die Marionette. »Nimm sie«, sagte er.
    Oles Augen schwammen.
    »Bitte«, sagte Jonas.
    Ole streckte die Hand aus. Jonas spürte seine Finger, als er die Marionette nahm. »Ich werde verdammt gut darauf Acht geben«, sagte Ole und kniff die Lippen zusammen. »Ist ja nicht das erste Mal«, sagte er, »dass ich auf dich aufpasse.«

Das letzte Kapitel
macht Licht
    Am Ende kann man immer bloß winken. Jonas winkte, als er auf dem Hügelkamm stand und noch einmal auf das Dorf hinabsah. Er winkte auf der Lichtung, weil so viele ihm nachgestiegen waren, er winkte vom Waldrand aus und noch einmal, als sie schon lange, lange über die Ebene gezogen waren. Bei diesem, dem letzten Mal sprengte am Horizont Ole heran, auf Sulemans Schimmel. Sobald Jonas ihn sehen konnte, zügelte Ole sein Pferd und brüllte. Er brüllte bloß, er brüllte so laut er konnte, gegen allen Schmerz an. So ist das, wenn man Abschied nimmt.
    Für die nächste Stunde war Jonas untröstlich. Weder Arnon Blau noch Ruben, weder Tabbi noch ein unheimlich aufgeräumter Peregrin Aber in viel zu langen Hosen konnten ihn aufheitern. Erst als die Sonne sich an ihren Abstieg machte und Jonas sich vorstellte, wie im Dorf jetzt gefeiert würde, ging es ihm besser.
    Die Tür war nichts, woran man sich gewöhnen könnte. Eine Tür ohne Angeln, sie hing einfach in der Luft. Darüber Schäfchenwolken wie ausgestanzt und der rosa gestrichene Himmel – dahinter, auch wenn es keiner von ihnen noch glauben konnte, ein ungeheiztes, dunkles Turmzimmer, vor den geschlossenen Blendläden Schnee.
    Ruben hatte auf dem letzten Stück unaufhörlich geredet, er hatte von Clara erzählt und davon, wie schwer es ihm gefallen war, all das, was er wusste, für sich zu behalten. Nichts davon jedoch hatte er nicht schon gesagt, Ruben redete, weil er es nur ein paar Schritte weiter nicht mehr können würde.
    »Machen Sie sich nichts draus, Ruben«, trompetete Peregrin Aber irgendwann. »Es wird sowieso viel zu viel geredet.« Ständig zog sich der Advokat die Hosenbeine hoch, und wenn er es vergaß, geriet er ins Stolpern.
    Als sie vor der Schranktür standen, ließ Peregrin Aber einen erleichterten Seufzer hören. Dann stieß er die Türen auf und kalte, abgestandene Luft schlug ihnen entgegen.
    Als Jonas ins Spielzimmer trat, stieß der Advokat schon gegen den Tisch, der dort stand, die alten Bastelbögen segelten lautlos auf den Teppich. Fluchend und rumpelnd kämpfte sich Peregrin Aber bis zum Fenster vor, hinter Jonas schloss Tabbi die Schranktür.
    Plötzlich war es finster.
    Dann hörte man den Advokaten mit dem eingerosteten Fenstergriff ringen und mit einem »Hurra!« die Blendläden aufstoßen.
    »AH!«, rief Peregrin Aber entzückt. »LICHT!«
    Schneehelle flutete den Raum. Jonas kam es vor, als wäre er gerade erst aufgewacht.
    Für einen Moment standen alle da, als müssten sie sich die Augen reiben. Tabbi, die Hand immer noch auf dem Schrankschlüssel, Ruben, irgendwo mitten im Raum, und Arnon Blau mit einem Ausdruck im Gesicht, als sähe er all das, was er sah, zum allerersten Mal. Den von Alter und Feuchtigkeit verzogenen Schrank, den Tisch und die Stühle, die vollgestopften Regale, all das Spielzeug aus alter Zeit.
    Erst nach und nach kam Bewegung in sie. Peregrin Aber stand am offenen Fenster und sog theatralisch die kalte Winterluft ein, Ruben äugte, sich die Stirn reibend, hinüber zum Schrank, dessen Türen wieder leise aneinanderschlugen, und Arnon Blau hinkte entschlossen dem Ausgang zu.
    Peregrin Aber passte ihn ab, und als Arnon Blau die Tür mit dem vertrauten Schaben öffnete, legte er ihm, sich streckend, einen Arm auf die Schulter.
    »Sagen Sie, Blau«, hörte Jonas den Advokaten sagen, während die beiden die Wendeltreppe hinabstiegen, »Sie waren doch Sekretär, nicht wahr? Könnten Sie sich vorstellen, in einer Kanzlei zu arbeiten?«
    Bald klapperten nur noch ihre Absätze auf den steinernen Stufen.
    Ruben grinste Jonas an, eine spöttische Bemerkung, die er nicht loswerden würde, auf den Lippen. Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher