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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts
Autoren: W Freund
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nickte eifrig. »Natürlich. Das weiß ja jedes Kind«, sagte er dann. »Aber«, fuhr er dann fort, »jetzt höre ich, dass mein Schloss zerstört worden ist. Der wackere Fiet Finger hat mir davon erzählt. Alles Schutt und Trümmer. Gar nicht schön.« Er schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte Jonas. Er verkniff sich ein Grinsen.
    »Und da habe ich mir gedacht«, rief Leopold aus, »mein Volk baut mir ein neues. Schau Er! Da sind die ersten Pläne!« Er streckte Jonas den Bogen hin.
    Wildes Gekritzel. Jonas machte interessierte Miene.
    »Da der obere Burghof«, rief Leopold und fuhr mit so ausladender Geste über das Blatt, dass er damit jede der wirren Linien hätte meinen können. »Der Bergfried! Das Ritterhaus! Die Arkaden! Herrlich, nicht wahr? Es wird ein Märchenschloss! Ein richtiges Märchenschloss. Hoch oben in den Bergen will ich es bauen! Oben!« Er reckte wieder den Zeigefinger. »Auf steiler Höh’, umweht von Himmelsluft!« Abrupt riss er das Blatt zurück auf seine Knie und kritzelte gleich ungestüm weiter. »Hör Er!«, presste er dabei hervor. »Wahrste, Stein gewordene Poesie. Nichts Prosaisches!«
    »Majestät?«, sagte Jonas.
    »Ja? Was?« Leopold klang plötzlich ungehalten. Alle Störung war ihm jetzt zuwider. »Und eine Grotte will ich! Eine romantische, dunkel funkelnde Grotte! Da!« Er hieb auf den Papierbogen ein.
    Jonas legte das Köfferchen ab und holte Leopolds Figur hervor. Er spürte jetzt die Blicke der Übrigen in seinem Rücken. Lunette und die anderen hatten den Koffer bemerkt.
    Jonas hielt Leopold die Figur hin. »Wollt Ihr die haben, Majestät?«, fragte er. »Sie stellt Euch dar. Euch selbst.«
    Aber Leopold warf nur einen flüchtigen Blick auf die Sonneberger Figur und schüttelte gleich den Kopf. »Was soll ich mit dem Tand?«, sagte er herrisch und vertiefte sich wieder in seinen Entwurf.
    Jonas legte die Figur zurück zu den andern. Dann trug er den offenen Koffer wie ein Tablett zum Tisch hinüber.
    »Sei bloß vorsichtig«, sagte Lunette. »Das ist eine kostbare Fracht.«
    Dann starrten alle in das bunte Durcheinander zwischen den dünnen Wänden aus Pappe.
    »Ich dachte«, fing Jonas nach einer Weile an, »jeder sollte seine …«
    Lunette unterbrach ihn. »Du willst fort?«
    Jonas nickte.
    »Für immer?«
    Jonas zuckte die Schultern. Wer wusste das schon? Er sah zu Ole hinüber, aber der senkte den Blick. War Ole traurig? War es das? Würde er Jonas vermissen wie Jonas ihn?
    »Wir«, sagte Lunette schleppend, »hätten dich gern hierbehalten. Wir haben beratschlagt. Wir wollen zurück nach Callamaar. Alle.« Er sah in die Runde.
    Grimbert, Suleman und Fiet nickten. Leopold war nach wie vor mit seinem Plan beschäftigt. Manchmal hörte man ihn brabbeln und leise juchzen.
    Jonas griff in den Koffer. Als Erstes zog er den kecken Jungen heraus und reichte ihn Fiet. Dann kam der Soldat an die Reihe, den er Grimbert in die Hand drückte. Lunette bekam nicht nur den Sterngucker, sondern auch das abgebrochene Fernrohr, und zuletzt reichte Jonas Suleman den prachtvollen türkischen Reiter. Nur für Ole hatte er keine Figur, Ole war keiner der Sieben. Jonas griff nach der Marionette. Dann barg er sie in seiner Hand.
    Am Tisch herrschte Schweigen. Alle sahen sie auf ihre Figur, alle ein wenig verwundert.
    Schließlich ergriff Lunette das Wort. »Ich glaube, Jonas«, sagte er, »wir wollen die Figuren nicht behalten. Ich meine jedenfalls nicht.« Entschlossen legte er den Sterngucker zurück in den Koffer. Er sah Jonas an. »Wir alle brauchen jemanden, der auf uns aufpasst. Nicht wahr?«
    Jonas ging dieser Satz noch nach, da hatte auch Suleman seine Figur schon zurückgegeben. Da lag der türkische Reiter nun, neben dem zerbrochenen Faramund, neben dem Sterngucker, neben dem Kiesel.
    »Hier.« Fiet legte seinen Jungen dazu. »Mach deine Sache gut, Jonas«, sagte er.
    Nur Grimbert schien noch mit sich zu ringen. Er wendete seinen strammen Soldaten bewundernd hin und her und holte sehr tief Luft, bevor er ihn ziemlich rüde in den Koffer warf. »Sei’s drum«, dröhnte er und klang dabei, als mache er sich Mut.
    Da waren sie wieder alle beisammen im Koffer. Nur die Marionette fehlte. Die Jonas-Figur.
    »Ole?«, fragte Jonas.
    Ole hatte die ganze Zeit in den Koffer gestarrt, jetzt hob er den Kopf. Jeder konnte sehen, dass er sich schämte. Ole Mond schämte sich dafür, keiner der Sieben zu sein. Er schämte sich dafür, dass Cores Prophezeiung nicht ihm gegolten hatte. Er schämte
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