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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts
Autoren: W Freund
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verschwamm, weil ihm das Wasser in die Augen schoss. Beinahe blind war Jonas hinter seinen Tränen, als er zu dem winzigen Wald aus Tannenzapfen stolperte, um den Räuber Wieflinger zu suchen. Wenigstens ihn wollte er behalten. Er stopfte den Kiesel in seine Hosentasche.
    Brand fand ihn im Stall bei der Kuh. Jonas wusste nicht, was er sagen sollte, und Brand wusste es auch nicht. Der alte Brand mit seinen müden Augen! Lange stand er vor ihm.
    Jonas klaubte einen Halm aus dem Stroh und zerrieb ihn zwischen den Fingern.
    »Du wirst jetzt ein vornehmer Bengel«, sagte Brand endlich.
    Jonas zog die Nase hoch. Ihm kam es vor, als hielten alle, Brand, der Stumme und der Advokat, ein altes Versprechen und nur Jonas hatte von diesem Versprechen nichts gewusst. »Ich will nicht weg«, sagte er, ohne aufzuschauen.
    In Brands Stimme lag Wehmut. »Es ist besser so, glaub mir.« Brand strich sich das widerspenstige Haar aus der Stirn. »Ihr brecht gleich auf. Der Rechtsverdreher wird dir alles erklären. Elsa packt schon deine Sachen. Aber wenn du erst da bist, schmeißen die sowieso alles weg. Deine paar Lumpen! Sie haben bestimmt viel schönere Sachen für dich. Freu dich also, wenn du kannst.« Brand versagte für einen Augenblick die Stimme. »Wenn nicht, freust du dich eben später.«
    Jonas starrte auf die verklebten Beine der Kuh. »Wo bringen die mich hin?«, fragte er. All das fühlte sich an wie eine unverdiente Strafe.
    »Du hast geerbt, Jonas. Du hast ein vornehmes Haus geerbt. Du wirst ein vornehmer Mann.«
    Jonas ließ die Reste des Strohhalms aus seiner Hand regnen. Er wollte bleiben, wer er war. Der Junge beim Wirt Brand. »Ich will nichts erben«, sagte er düster.
    Jetzt lachte Brand. »Doch, du willst. Du weißt ja nicht, was du redest. Hierhin verirrt sich doch nur der Wind, Kerl. Was könntest du hier schon anfangen? Willst du so werden wie ich?« So hatte Brand noch nie gesprochen.
    »Hat der Mann mich gebracht? Der Kutscher? Ist er stumm?« Eigentlich wusste Jonas die Antwort.
    »Ja.«
    »Hast du ihn gekannt? Hast du damals schon gewusst, wer er war?«
    Brand antwortete nicht gleich. »Er heißt Ruben. Ich kenne ihn seit langer Zeit. Er ist der Diener dort, wo du hingehst. Er ist ein guter Mann. Nicht dein Vater, wenn du das meinst.«
    »Weißt du, wer mein Vater ist?«
    »Nein.«
    Jonas schwieg. Welchen Grund gab es jetzt noch, Brand zu glauben?
    »Ich weiß es wirklich nicht«, sagte Brand leise.
    »Hat dieser Ruben damals gesagt, dass er wiederkommt?«
    »Ja.«
    Jonas griff nach dem nächsten Halm. Heute Morgen hatte er das Stroh hier ausgestreut. Das war doch auch sein Stall, selbst wenn er Brand gehörte. »Warum hast du es mir dann nicht verraten? Dass sie mich holen.«
    Brand sah traurig aus. Heute Abend würde er allein in der kalten Gaststube sitzen und trinken, Jonas wusste es genau. »Ich hatte keine Ahnung, wann Ruben kommt«, flüsterte Brand. »Ich wollte nicht, dass du wartest.«
    Brand stand stocksteif, als es ans Abschiednehmen ging, Elsa heulte Rotz und Wasser. Sie hatte Jonas schluchzend ihr schmutzigbraunes Pappköfferchen geschenkt, ihm die gute Mütze aufgesetzt und die Nase geputzt wie einem kleinen Jungen.
    »Denkst du an uns, ja?«, schniefte sie und versprach, für Jonas zu beten, und das machte alles nur noch schlimmer. Elsa mit ihren Heiligenbildchen, über die Brand lachte.
    »Gute Frau, er schreibt Ihnen ja«, sagte Peregrin Aber, lief hin und her, schüttelte Brand geschäftig die Hand, tätschelte flüchtig Elsas Schulter und ahnte nicht, dass sie gar nicht lesen konnte. Schließlich schob er Jonas auf die Kutsche zu. »Er schreibt! Er schreibt! Lange Briefe, gute Frau!«, rief er, und dann öffnete Ruben den Schlag. Der Wind war gekommen und zerrte an Brands Jacke.
    Jonas’ Wangen waren wie taub. Die Tränen liefen ihm über das Gesicht, ohne dass er es spürte, und als Ruben ihm das Pappköfferchen abnahm und dabei einen Augenblick lang seine Hand hielt, geriet er ganz durcheinander. Ruben hatte ihm etwas zugesteckt, ein Stück Papier, weich, weil der Diener es schon eine ganze Weile in seiner Faust verbarg. Jonas sah zu ihm auf, aber Ruben drückte bloß den Finger gegen die Lippen.
    Der Wind wirbelte in Rubens Haar, eine Strähne legte sich über seine Augen. Vergebens versuchte Jonas sich vorzustellen, wie dieser Mann ihn hierhergebracht hatte. Dann stieg er in die Kutsche und wischte sich mit dem Ärmel das Gesicht.
    »Auf Wiedersehen!«, rief Peregrin Aber fröhlich
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