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Die Uno

Die Uno

Titel: Die Uno
Autoren: Klaus Dieter Wolf
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Anforderungen genügt. Wenn man den institutionell vielleicht radikalsten unter diesen Vorschlägen, die Einrichtung einer Bürgerkammer («
Peoples’ Assembly
») als einer zweiten Kammer neben der bestehenden und aus Regierungsvertretern zusammengesetzten Generalversammlung, mit der bisherigen Praxis der Einbindung von NRO vergleicht, wird deutlich, welch unterschiedliche Demokratieverständnisse dabei jeweils zugrunde liegen. Die Idee einer zweiten Kammer nach dem Motto «Parlamentarier aller Länder, vereinigt euch!» orientiert sich an dem institutionellen Gefüge eines demokratischen Staates und offenbart damit ein weltstaatliches Verständnis der Vereinten Nationen. Die bisherigen Ausführungen sollten allerdings gezeigt haben, dass die UNO sich nur sehr begrenzt in (welt-)staatlichen Kategorien erfassen und noch weniger nach dem Modell eines Nationalstaates demokratisieren lässt. Politik in den Vereinten Nationen spielt sich zwischen formal gleichen Staaten ab, deren Regierungen ihre Kompetenz nicht an eine supranationale Instanz abtreten wollen. Regelsetzung und Regeldurchsetzung erfolgen in den meisten Bereichen horizontal und auf dem Wege der Selbstregulierung. Entscheidungen müssen Resultate kompromiss- und verständigungsorientierter Prozesse sein, denn ihr Verbindlichkeitsgrad hängt von der Bereitschaft der Regelungsadressaten ab, ihnen freiwillig Folge zu leisten. Der dafür erforderliche Politikstil besteht im Argumentieren und Verhandeln und nicht in der Unterwerfung unter parlamentarische Mehrheitsentscheidungen.
    Damit ist man jedoch bereits beim Verständnis der Vereinten Nationen als einem Verhandlungs- und Entscheidungssystem angekommen, in dem Politik sich als eine Summe horizontaler und sachbezogener Selbstregulierungsansätze darstellt, als Regieren ohne Regierung («
governance without government
»). Eine Demokratisierung der Vereinten Nationen, wie auch des Regierens im Raum jenseits des Staates überhaupt, kann sich aus diesem Blickwinkel nicht an dem Vorbild der staatlichen Mehrheitsdemokratie orientieren, weil deren Voraussetzungen – wie eine belastbare Wir-Identität, Solidarität und wechselseitiges Vertrauen, ohne die Minderheiten nicht bereit sind, sich Mehrheitsbeschlüssen zu beugen – außerhalb des Staates nicht zur Verfügung stehen. Deshalb kann für institutionelle Lösungsansätze dort auch nicht das Modell der staatlichen Mehrheitsdemokratie zum Maßstab genommen werden, sondern es kommt dafür eigentlich bloß das der internationalen Verhandlungsdemokratie in Betracht. Es entspricht dem Wesen von
global governance
auch viel besser, weil in beiden Fällen nicht die Ausübung und Kontrolle von Herrschaft, sondern die Suche nach einvernehmlichen Lösungen für Sachprobleme in einem bestimmten Aufgabenfeld im Vordergrund steht.
    Wenn man die Frage nach der demokratischen Legitimität in diesen Kontext stellt, dann ergeben sich daraus Kriterien für Beteiligungsrechte und Repräsentation, die sich von denen der parlamentarischen Mehrheitsdemokratie unterscheiden. Die Anerkennung von Partizipationsansprüchen nichtstaatlicher Akteure hangt nun nicht mehr primär davon ab, ob sie sich auf ein aus Wahlen hervorgegangenes Mandat stützen können, sondern davon, dass ihre Mitwirkung zu einer möglichst vollständigen Berücksichtigung von Betroffeneninteressen und Sachaspekten beiträgt, damit möglichst «gute» Entscheidungen getroffen werden können, die nicht zu Lasten Dritter gehen. NRO und privatwirtschaftliche Unternehmen sind im UN-System in der Regel weder mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet noch in parlamentarische Mehrheitsentscheidungen eingebunden. Ihre partnerschaftliche Mitwirkung im Rahmen von
global governance
erfolgt vielmehr innerhalb von partnerschaftlichenMulti-Stakeholder-Netzwerken, in denen dialogische Politikmuster vorherrschend sind. Eine «Stimme» haben die daran Beteiligten zwar auch, aber nicht, um sie bei Abstimmungen zählen zu lassen, sondern um damit bestimmten Anliegen Gehör zu verschaffen. Solange sich die Beteiligungsansprüche privater Akteure allein auf die Mitwirkung an konsensorientierten Formen der Entscheidungsfindung beziehen, bedürfen sie auch nicht der Eintrittskarte, die für ein durch Mehrheitsabstimmungen entscheidendes Parlament benötigt wird – nämlich der Legitimation durch Wahlen. NRO hätten damit bereits als organisierte Vertreter von sektoralen Betroffeneninteressen und allgemein anerkannter Anliegen einen
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