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Die Uno

Die Uno

Titel: Die Uno
Autoren: Klaus Dieter Wolf
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Report» umfassend thematisiert worden. Sie reichen heute längst über die in der Charta sowie in den einschlägigen ECOSOC-Resolutionen festgelegten formellen Rechte hinaus. Es besteht eine Vielfalt formeller, halb-formeller und informeller Formen der Einbindung und Einflussnahme. Sie reichen vom offiziellen Beobachterstatus zur Veranstaltung von Gegenkonferenzen, von traditionellen Lobbytätigkeiten bis zur Mitgliedschaft in staatlichen Verhandlungsdelegationen. Im Bereich des internationalen Menschenrechtsschutzes können NRO bei der Menschenrechtskommission in Genf eigene Länderberichte einreichen, in denen sie Informationen über Menschenrechtsverletzungen in einzelnen Staaten liefern. Selbst zu den Mitgliedern des Sicherheitsrats bestehen informelle, aber fest etablierte regelmäßige Konsultationsbeziehungen.
    Die Bedeutung der NRO ergibt sich aus der Wahrnehmung einer Vielzahl weiterer Funktionen: Sie können im Anfangsstadium eines Politikprozesses dazu beitragen, dass ein Problem überhaupt erst den Sprung auf die Agenda einer internationalen Organisation schafft. Sie können beratend bei der Ausarbeitung politischer Programme mitwirken. NRO können die Vereinten Nationen darüber hinaus auch bei der Durchsetzung internationaler Übereinkommen unterstützen, indem sie Überwachungslücken schließen, wo staatliche und zwischenstaatliche Kontrollmechanismen nur schwach ausgebaut sind. Das gilt insbesondere für den internationalen Menschenrechtsschutz. In diesem Bereich sind es immer wieder die zivilgesellschaftlichen Menschenrechtsorganisationen gewesen, die Menschenrechtsverletzungen öffentlich machten und menschenrechtsverletzende Regierungen zwangen, öffentlich vertretbare Rechtfertigungsgründe für ihr Verhalten vorzutragen.
    Die Wahrnehmung dieser Funktionen liefert gute Gründe für eine stärkere Einbindung von NRO. Deren Mitwirkung wird auf diese Weise allerdings nicht damit gerechtfertigt, dass sie dazu beitragen, die demokratische Legitimität der UNO zu erhöhen, sondern allein mit dem Nutzen, den sich die Organisation von den Problemlösungsressourcen verspricht, über die die NRO verfügen. Auch die Öffnung der Vereinten Nationen gegenüber den transnationalen Unternehmen im Rahmen des Globalpakts wird im Wesentlichen damit begründet, dass staatliche und nichtstaatliche Akteure über sich ergänzende Problemlösungsressourcen verfügen, die zusammengelegt werden müssen, um den sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Fortschritt zu fördern.
    Wenn es aber vorrangig um die Einbindung zusätzlicher Problemlösungsressourcen geht, müssten dann nicht auch die privaten Akteure aus der transnationalen «Unterwelt», also alle in gewaltsame Konflikte verwickelten Kriegsherren, Rebellen, Separatisten, Befreiungsbewegungen und in letzter Konsequenz selbst Terrorgruppen eine offizielle Anerkennung als Völkerrechtssubjekte mit Rechten und Pflichten finden, um dann unter ihrer Mitwirkung eine effektivere Konfliktregelung möglich zu machen? Historische Beispiele dafür gibt es durchaus. Die PLO hatte seit Anfang der siebziger Jahre einen Beobachterstatus bei der Generalversammlung, während sie von Israel immer noch als Terrororganisation betrachtet wurde. Die namibische Befreiungsorganisation SWAPO wurde vom Sicherheitsrat als Konfliktpartei sogar mit der Republik Südafrika gleichgestellt. In die friedenskonsolidierenden Bemühungen um den Wiederaufbau des afghanischen Staates wurden auch die Warlords eingebunden. Warum sollten sich durch eine solche Einbindung in die Wahrnehmung von öffentlichen Sicherheitsfunktionen nicht auch Kriegsherren in «Friedensfürsten» verwandeln können?
    Provokante Fragen, in der Tat. Die öffentliche Debatte in Deutschland über die Reform der Vereinten Nationen spielt sich allerdings weit diesseits solcher Überlegungen ab. Sie ist nahezu ausschließlich auf die Reform des Sicherheitsrats konzentriert. Beim Sicherheitsrat handelt es sich fraglos um das mit den weitreichendsten Kompetenzen ausgestattete UNO-Organ und umdas Kernstück des kollektiven Sicherheitssystems. Insoweit sind auch die diplomatischen Bemühungen Deutschlands um einen eigenen ständigen Sitz nachvollziehbar, in denen sich der Anspruch des drittgrößten Beitragszahlers auf ein größeres politisches Gewicht in den Vereinten Nationen manifestiert. Auch wenn gerade das bisherige Verhalten Deutschlands vorbildhaft demonstriert, dass sich auch Staaten «aus der zweiten Reihe» ihrer
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