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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten
Autoren: Kazuo Ishiguro
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gesagt – wir alle hier haben vollstes Verständnis. Wenn jemand derartige Entfernungen zurücklegen muß und so viele Engagements in der ganzen Welt hat – haha! -, sind solche Dinge manchmal nicht zu vermeiden.«
    »Aber...«
    »Nein, wirklich, über die Sache müssen wir kein Wort mehr verlieren. Sämtliche Damen und Herren hatten, wie ich schon sagte, vollstes Verständnis. Also wollen wir die Sache als erledigt betrachten. Hauptsache, Sie sind jetzt hier. Und allein dafür schulden wir Ihnen schon unendlichen Dank.«
    »Also, ich danke Ihnen, Mr. Hoffman.«
    »Tja, wenn Sie im Moment nicht allzu beschäftigt sind, würde ich Sie gerne noch einmal persönlich begrüßen.«
    »Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen«, entgegnete ich. »Aber ich hatte mich gerade ein wenig hingelegt...«
    »Ein wenig hingelegt?« Kurzes Aufflackern von Verärgerung in der Stimme. Doch schon im nächsten Moment war die Höf-Iichkeit vollständig zurückgekehrt. »Ja, natürlich, natürlich. Sie müssen sehr erschöpft sein. Sie hatten ja eine sehr lange Reise. Dann sagen wir also, wann immer es Ihnen recht ist.«
    »Ich freue mich schon darauf, Sie kennenzulernen, Mr. Hoffman. Und ich kann gerne sofort hinunterkommen.«
    »Nein, nein, bitte keine Umstände meinetwegen. Ich werde einfach hier warten – ich meine, hier in der Halle -, bis es Ihnen beliebt zu kommen. Es hat wirklich keine Eile.«
    Ich dachte einen Augenblick nach. Dann sagte ich: »Aber Mr. Hoffman, Sie haben doch sicher so viele andere Dinge zu erledigen.«
    »Ja, stimmt, um diese Zeit ist immer besonders viel zu tun. Aber auf Sie, Mr. Ryder, warte ich gerne hier, egal wie lange es dauert.«
    »Aber bitte, Mr. Hoffman, Sie sollten Ihre wertvolle Zeit nicht für mich opfern. Ich bin sofort unten bei Ihnen.«
    »Nein, nein, Mr. Ryder, das ist gar nicht nötig. Es ist mir eine Ehre, hier auf Sie zu warten, ganz bestimmt. Also, wie ich schon sagte, bitte keine Umstände meinetwegen. Seien Sie gewiß, ich bleibe hier stehen, bis Sie kommen.«
    Ich bedankte mich noch einmal bei ihm und legte auf. Ich setzte mich im Bett auf, schaute mich um, und an dem Licht von draußen erkannte ich, daß es später Nachmittag sein mußte. Ich fühlte mich noch erschöpfter als vorher, aber ich hatte wohl keine andere Wahl, als in die Halle hinunterzugehen. Ich stand auf, ging zu einem der Koffer und fand ein Jackett, das nicht ganz so verknittert war wie die Jacke, die ich immer noch trug. Während ich mich umzog, überkam mich ein heftiges Verlangen nach einer Tasse Kaffee, und so drängte es mich wenige Minuten später förmlich aus meinem Zimmer hinaus.
    Ich trat aus dem Aufzug und merkte sofort, daß es in der Halle weit lebhafter zuging als bei meiner Ankunft. Überall um mich herum saßen Hotelgäste in bequemen Sesseln, sie blätterten Zeitungen durch oder plauderten bei einer Tasse Kaffee miteinander. In der Nähe der Rezeption begrüßten sich fröhlich einige Japaner. Diese Wandlung verwirrte mich ein wenig, und so sah ich den Hoteldirektor erst, als er genau vor mir stand.
    Er war in den Fünfzigern und größer und korpulenter, als ich es mir der Stimme am Telefon nach vorgestellt hatte. Er reichte mir die Hand und strahlte mich mit breitem Lächeln an. Dabei fiel mir auf, daß er recht kurzatmig war und daß ihm der Schweiß auf der Stirn stand.
    Während wir uns die Hand schüttelten, betonte er mehrmals, welch große Ehre meine Anwesenheit für die Stadt und besonders für sein Hotel sei. Dann lehnte er sich vor und sagte in vertraulichem Ton: »Und lassen Sie mich Ihnen versichern, daß alle Vorbereitungen für Donnerstag abend in vollem Gange sind. Es gibt wirklich nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müßten.«
    Ich wartete darauf, daß er fortfuhr, aber als er nur immer weiter lächelte, sagte ich: »Aha, gut zu wissen.«
    »Doch, doch, tatsächlich, da ist wirklich nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müßten.«
    Es entstand eine unangenehme Pause. Nach einer Weile schien Mr. Hoffman noch etwas sagen zu wollen, aber dann hielt er inne, lachte und schlug mir leicht auf die Schulter – eine Geste, die ich für unangemessen vertraulich hielt. Schließlich sagte er: »Wenn es irgend etwas gibt, Mr. Ryder, das ich tun kann, um Ihren Aufenthalt hier noch angenehmer zu gestalten, lassen Sie es mich bitte sofort wissen.«
    »Danke, sehr freundlich.«
    Es entstand eine weitere Pause. Dann lachte er wieder, schüttelte leicht den Kopf und schlug mir noch einmal
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