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Die Ungetroesteten

Titel: Die Ungetroesteten
Autoren: Kazuo Ishiguro
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einen Vorschlag machen... tja, also – sagen wir doch in etwa so.«
    Er hob eine Hand, die Handfläche weg vom Körper, Finger gespreizt, und er beschrieb eine Bewegung, als wolle er ein Fenster putzen.
    »Nur so als Beispiel«, sagte er und führte die Hand schnell hinter den Rücken. »Natürlich, wenn Sie vielleicht lieber ein anderes Zeichen hätten.«
    »Nein, dieses Zeichen ist wunderbar. Ich werde Ihnen das Zeichen geben, sobald ich die Zeit habe, mir die Sammelmappen Ihrer Frau anzusehen. Es ist wirklich sehr freundlich von ihr, daß sie sich all die Mühe gemacht hat.«
    »Ich weiß, daß es ihr eine ganz große Freude gewesen ist. Wenn Sie später natürlich doch das Gefühl haben, ein anderes Zeichen wäre Ihnen lieber, rufen Sie mich einfach von Ihrem Zimmer aus an oder hinterlassen Sie bei einem der Angestellten eine Nachricht.«
    »Sehr freundlich von Ihnen, aber das Zeichen, das Sie vorschlagen, scheint mir wirklich ganz prima zu sein. Tja, Mr. Hoffman, könnten Sie mir wohl sagen, wo ich einen guten Kaffee bekommen kann? Im Moment habe ich das Gefühl, als könnte ich mehr als nur eine Tasse vertragen.«
    Der Hoteldirektor lachte höchst theatralisch. »Das Gefühl kenne ich nur zu gut. Ich bringe Sie ins Atrium. Ich darf doch vorangehen.«
    Ich folgte ihm zu einer Ecke der Halle und durch eine schwere Drehtür. Wir betraten einen langen düsteren Korridor mit dunkler Holztäfelung an den Wänden. In diesen Korridor fiel so wenig Licht von draußen, daß man sogar um diese Tageszeit eine lange Reihe trüber Wandleuchten angelassen hatte. Hoffman ging flott immer weiter voran, und alle paar Schritte wandte er den Kopf, um mir über die Schulter zuzulächeln. Auf halber Höhe kamen wir an einer recht pompös aussehenden Tür vorbei, und Hoffman, der meinen Seitenblick bemerkt haben mußte, sagte:
    »Ach ja. Normalerweise würde der Kaffee dort im Salon serviert werden. Ein prachtvoller Raum, Mr. Ryder, und sehr bequem. Und jetzt ist er sogar noch schöner durch die handgearbeiteten Tische, die ich selbst vor kurzem auf einer Reise nach Florenz entdeckt habe. Ich bin sicher, sie würden Ihnen gefallen. Allerdings haben wir momentan, wie Sie ja schon wissen, den Raum für Mr. Brodsky reserviert.«
    »Ach, richtig. Er war hier, als ich angekommen bin.«
    »Er ist immer noch hier. Ich würde Sie ja hineinführen und Sie beide miteinander bekannt machen, aber ich glaube, es ist nicht ganz der richtige Zeitpunkt. Mr. Brodsky könnte... na ja, sagen wir, es könnte einfach nicht der richtige Zeitpunkt sein. Haha! Aber keine Sorge, Sie beide werden noch genügend Gelegenheit haben, einander kennenzulernen.«
    »Mr. Brodsky ist jetzt gerade da drin?«
    Ich schaute zurück zur Tür, und vielleicht verlangsamte ich auch meinen Schritt ein wenig. Jedenfalls nahm mich der Hoteldirektor beim Arm und fing an, mich von der Tür wegzubugsieren.
    »Ja, er ist in dem Raum. Aber wenn er im Moment auch ganz still dasitzt, kann ich Ihnen versichern, daß er gleich wieder weiterüben wird. Wissen Sie, heute vormittag hat er volle vier Stunden mit dem Orchester geprobt. Nach dem, was man so hört, klappt alles wirklich ganz wunderbar. Sie sehen also, Sie müssen sich keine Sorgen machen.«
    Der Korridor machte schließlich eine Biegung, und danach wurde er sehr viel heller. Tatsächlich gab es in diesem Teil des Korridors an einer Wand eine ganze Reihe von Fenstern, was dazu führte, daß sich auf dem Boden Flecken aus Sonnenlicht gebildet hatten. Erst nachdem wir diesen Teil des Korridors ein ganzes Stück entlanggegangen waren, ließ Hoffman mich los. Während wir unsere Schritte wieder etwas verlangsamten, lachte der Hoteldirektor kurz auf, um seine Verlegenheit zu verbergen.
    »Das Atrium ist gleich hier. Im Grunde ist es eine Bar, aber es ist ganz gemütlich dort, und Sie können Kaffee bestellen oder was immer Sie wünschen. Hier entlang bitte.«
    Wir traten vom Korridor unter einen überwölbten Eingang.
    »Dieser Anbau«, erklärte Hoffman, während er mich hineinführte, »ist vor drei Jahren fertig geworden. Wir nennen das Ganze unser Atrium, und wir sind sehr stolz darauf. Die Entwürfe hat eigens für uns Antonio Zanotto angefertigt.«
    Wir gelangten in einen hellen geräumigen Saal. Wegen des Glasdaches hoch über uns hatte man beinahe den Eindruck, auf einen Innenhof hinauszutreten. Der Fußboden war eine weitläufige weißgeflieste Fläche, das herausragendste Merkmal des Raumes war ein Brunnen in der Mitte
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