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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Kleidern. Während Rosina sich auf Augustas Befehl auch noch von Elsbeth frisieren ließ, befriedigte er die allgemeine Neugier
     auf Rosinas weiteres Schicksal. Was alle außerordentlich erleichterte, denn natürlich wäre niemand so indiskret gewesen, sie
     selbst und ganz direkt zu fragen, ob sie denn nun eine reiche, womöglich gar steinreiche Erbin sei oder nicht.
    Tatsächlich war Alexander Lenthe als reicher Mann gestorben. Tatsächlich hatte er vorgehabt, seine Tochter zu versorgen und
     einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Erbes seinem Neffen zuzusprechen, damit der einen guten Anfang für eigene Erfolge
     habe. Seiner Schwägerin, die ihm so lange sein Haus geführt hatte, hatte er ein großzügiges Legat ausgesetzt. Den Großteil
     seines Vermögens, sein Anwesen eingeschlossen, hatte er jedoch für eine Stiftung zur Einrichtung eines pädagogischen Instituts
     für Jungen bestimmt, in dem nach den neuesten Erkenntnissen und Philosophien über das Wesen der Menschen gelehrt und erzogen
     werden sollte. Wobei er zur Bedingung machte, dass den Knaben auch eine musische, insbesondere musikalische Erziehung zuteil
     würde, die auch, wie an renommierten Lateinschulen, das Theaterspiel nicht vernachlässigte.
    Was Rosina geerbt, was sie mit ihrem Besitz vorhatte, wusste Christian nicht. Leider hatte sie sich auch in dieser Sache nicht
     als mitteilsam erwiesen. Er wusste nur, dass sie eine beträchtliche Summe einem Chemikus anvertraut hatte, irgendeinem Freund
     ihrer Jugend. Der glaubte, in Rüben – man bedenke, Rüben!   –, stecke genug Zucker, um sie in absehbarer Zeit dem Zuckerrohr den Rang ablaufen zu lassen.
    «Ich konnte ihr diesen Unsinn nicht ausreden, nun ja, sie hat mich auch nicht wirklich um Rat gefragt. Als ich aus Leipzig
     nach Hardenstein zurückkehrte, war alles schon unter Dach und Fach. Jedenfalls will dieser Mensch jetzt eine Fabrik bauen
     und sich dort an den Rüben versuchen. Ich denke, sie hätte das Geld auch gleich in den Hardensteiner Mühlbach werfen können,
     aber da ist nun nichts mehr zu machen. Doch wer weiß, vielleichthat er Erfolg, es gibt ja die seltsamsten Erfindungen. Und da kommt sie selbst!»
    Es gab wenig Zeit, Rosina – in eine junge Dame in zartgelbem, mit weißen Seidenfäden besticktem Musselin verwandelt – zu bewundern.
     Gerade als sie auf die Terrasse trat, rumpelte der Wagen der Komödianten in den Hof, und der nächste Begrüßungssturm begann.
     Er stand dem ersten in nichts nach.
    Muto, behauptete Helena später, habe tatsächlich wieder gesprochen, nur wenige Worte, aber eben doch gesprochen. Sie habe
     es immer gewusst, er könne es, wenn er nur die Kraft des richtigen Gefühls erfahre. Titus blieb dafür umso stummer, was aber
     niemanden wunderte, da er nur auf der Bühne ein Schwätzer war. Auch hatte er genug damit zu tun, immer wieder sein Gesicht
     zu trocknen, von dem niemand wusste, ob es wirklich nur vom Schweiß des heißen Tages so genässt war.
    Als auch noch Lies und Matti eintrafen, von Benni in dem Herrmanns’schen Zweispänner kutschiert und seltsamerweise in Begleitung
     von Wagner und Mattis neuem Mädchen, einem schüchternen dünnen Ding, ging die Ankunft des von Augusta noch erwarteten Gastes
     beinahe unter.
    Er war ein schlanker junger Mann, vom langen Ritt von Rom über Florenz und die Alpen und durch die deutschen Länder noch wettergegerbter
     als die Neuankömmlinge aus dem nicht ganz so fernen Sachsen, von der südlichen Sonne noch mehr Goldfäden als sonst in seinem
     Haar von der Farbe alten polierten Buchenholzes mit einem leichten rötlichen Schimmer. Seinen sahnefarbenen Rock, gut geschnitten
     und aus feinem italienischem Tuch, verunzierten zwar einige kleine Farbflecke in Magentarotund Türkisblau, aber das war für einen Maler nichts Besonderes. Paul Tulipan, erst vor zwei Wochen von seiner Studienreise
     nach Rom und Florenz zurückgekehrt, ein halbes Jahr früher als erwartet, band sein Pferd im Hof an und wartete unter der Clematishecke
     bei der Terrasse. Er betrachtete still die turbulente Idylle unter der Robinie, und endlich, als auch Wagner sein großes blaues
     Tuch wieder in seine Tasche gesteckt hatte, wandte sich die Gestalt im zartgelben Musselin um und erkannte ihn. Auf dem obersten
     Ast begann ein Pirol ein Lied von übermütigen Trillern zu singen. Vielleicht, so hätte die Ehrwürdige Jungfrau Domina gewiss
     gesagt, war es auch eine Schwalbe.

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