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Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Titel: Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
Autoren: Greg Smith
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Director gab, als ich schon ein paar Jahre für Goldman Sachs arbeitete, der sehr heikel war, wenn es um sein Mittagessen ging. Er mochte weder Zwiebeln noch diverse andere Zutaten. Eines Tages bestellte er bei einem Praktikanten ein Cheddar-Sandwich. Voller Stolz präsentierte ihm dieser stattdessen einen Salat: «Hier ist Ihr Cheddar-Salat.» Ich saß zufällig gerade neben dem MD, deshalb erinnere mich so genau. Er öffnete die Schachtel, sah erst den Salat an und dann den Praktikanten, klappte die Schachtel wieder zu und ließ sie mitsamt Inhalt in den Mülleimer fallen. Das war vielleicht nicht sehr nett, aber lehrreich. Der Managing Director scherzte später mit dem Praktikanten darüber und machte kein Drama daraus. Der Kandidat hatte kapiert.
    Praktikanten konnten sich durch alle möglichen Kleinigkeiten nützlich machen – indem sie das richtige Essen besorgten etwa oder Kopien anfertigten und vor allem indem sie sich selbst echte Aufgaben suchten. Wenn man einen Verkäufer oder Händler sagen hörte: «Mein Kunde interessiert sich für Biotech-Werte», war es klug, die Initiative zu ergreifen und vorzuschlagen: «Soll ich ein paar Biotech-Aktien für Sie recherchieren? Wäre das hilfreich?» Viele Goldman-Mitarbeiter nahmen das Angebot gern an. Eine tolle Sache für einen Praktikanten, der dann zeigen konnte, was er draufhatte. Wer seine Tage nur damit zubrachte, mit den Mitarbeitern der jeweiligen Abteilung zu plaudern, lief Gefahr, als Klette oder Klotz am Bein zu gelten.
     
    Die Klapphocker hatten natürlich ihren guten Grund. Man konnte sie leicht unter den Arm klemmen und damit von Ort zu Ort ziehen. Schließlich saßen wir nicht den ganzen Tag lang einem Trader zu Füßen. Den Sommer über fanden täglich Vorträge und Podiumsdiskussionen statt – mit Teilnahmepflicht für alle Praktikanten. Ein Redner ließ sich über Derivate aus, der nächste über die verschiedenen Funktionen in der Aktien-Abteilung: Was war der Unterschied zwischen einem Verkäufer und einem Sales-Trader? Wie erwarb man die dafür nötigen Kompetenzen?
    Diese Vorträge sollten nicht nur Wissen vermitteln, sondern uns auch dabei helfen, den Bereich zu finden, in dem wir später arbeiten wollten. Nicht jeder eignete sich zum Trader oder zum Verkäufer. Nicht jeder hatte ein Händchen für Anleihen. Manchem lagen Aktien mehr. Die Mathefreaks wurden in aller Regel Händler oder «Quants» (quantitative Analysten, auch «Strats» – Strategen – genannt). Sportskanonen entwickelten sich oft zu aggressiven Tradern oder geschickten Verkäufern. Wir Übrigen lagen irgendwo im Mittelfeld und mussten uns entscheiden.
    Arbeitsscheu durfte keiner sein. Jeden Tag kam es vor, dass man gerade mit dem Managing Director oder einem Vice President des Teams sprach, wenn eine der Pflichtveranstaltungen anstand. Dann musste man sich bei seinem Gegenüber geschickt aus der Affäre ziehen. Manchmal war man gerade mit etwas beschäftigt, auf das der andere ungeduldig wartete – eine Tabelle zum Beispiel –, und musste sagen: «Tut mir leid, aber ich muss jetzt zu diesem Vortrag.» Daran führte keine Weg vorbei. Die Anwesenheit wurde kontrolliert. Außerdem wurde immer unsere inhaltliche Beteiligung bewertet. Es war eine von zig Hürden, die man erfolgreich nehmen musste.
    Neben unserem straffen Tagesprogramm übertrug man uns häufig noch umfangreiche Zusatzaufgaben – eine zwanzigseitige Präsentation zum Für und Wider des Glass-Steagall-Gesetzes zum Beispiel. Daran konnten wir tagsüber nicht arbeiten. Wir konnten uns nicht einfach zwischendurch ein paar Stunden lang ausklinken und Folien erstellen. Dafür blieben nur die Abende, wenn die anderen nach Hause gegangen waren – nach neunzehn Uhr – und die Wochenenden. Unter der Woche waren Arbeitszeiten bis Mitternacht nicht ungewöhnlich. Oft gingen wir auch samstags oder sonntags – oder an beiden Tagen – ins Büro. (Wir arbeiteten hart in diesem Sommer, aber wir unternahmen auch viel. In unserer kostbaren Freizeit machten wir die Stadt unsicher, manchmal alle zusammen, manchmal in kleineren Gruppen. An den Wochenenden stürzten sich viele ins Nachtleben. Am 4. Juli ging ein ganzer Pulk zum Fluss hinunter, um das Feuerwerk anlässlich des Nationalfeiertags anzuschauen. Manche verliebten sich in dieser Zeit. Ich weiß von mindestens zwei Pärchen, die sich in jenem Sommer im Praktikum kennengelernt und später geheiratet haben.)
    Jede Woche mussten wir Kurztermine bei fünf
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