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Die Un-Heilige Schrift

Die Un-Heilige Schrift

Titel: Die Un-Heilige Schrift
Autoren: Helmuth Santler
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Bezeichnung einer ersehnten Rettergestalt; Belege dafür finden sich in einigen Qumran-Schriften und in den Psalmen Salomos.
Zur Zeit Christi war Palästina ein besetztes Land.
    Die Rettergestalt war auch bitter nötig: Nach jüdischem Verständnis war die römische Besatzung gleichbedeutend mit Gottlosigkeit, weil sie es verunmöglichte, nach dem Gesetz zu leben. Nach diesem war Gott die oberste und einzige Autorität; das Jesus-Wort: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ wurde nicht anders verstanden als: Nichts für den Kaiser – alles für Gott. Diese Einstellung war freilich nur sehr schwer durchzuhalten: Das Volk war politisch, ökonomisch und religiös massiv unterdrückt.
    Während die Priester (die den Römern freundlich gesonnenen Sadduzäer) versuchten, sich mit den Besatzern zu arrangieren und brav ihre Steuern zahlten, gärte es im Volk wie auch in der Sadduzäer-Opposition in allen Schichten. Pharisäer, Zeloten, Essener, Sikarier oder Chassidim hießen philosophische, fromme, nationalistische oder militante Gruppen, die der gemeinsame Feind Rom mehr oder minder auf eine Seite stellte; ihre Uneinigkeit untereinander blieb davon unberührt.
    Um 70 n. Chr. hatte sich schließlich eine gewisse jüdische Sekte in ihrer Auslegung des Gesetzes so weit von ihren mosaischen Wurzeln entfernt und dabei eine so große Bedeutung erlangt, dass eine Spaltung unvermeidlich wurde. Die etablierte Priesterschaft suchte nach einem großen gemeinsamen Nenner, nach einem Fundament ihrer Einheitlichkeit. Die Antwort lag in einer Kultur, in der der Schrift eine nicht überschätzbare Bedeutung beigemessen wurde, auf der Hand: Man benötigte einen Schriftenkanon.

Der hebräische Kanon
    Der Kanonisierungsprozess war schon beinahe 200 Jahre im Gang gewesen, als man (vermutlich während der Synode von Jamnia 95 n. Chr.) zu einer Übereinkunft fand. Das Ergebnis wurde Tanach genannt und umfasste 24 Bücher in 3 Hauptteilen: die Tora (Weisung, die 5 Bücher Mose), die Nevi’im (Propheten) und die Ketuvim (Schriften).
    Für eine Erfüllung des Wunsches nach Einheitlichkeit kam dies allerdings zu spät: Seit den Vorstößen Alexanders des Großen in den Osten hatte sich ein heute hellenistisch genannter Geist unter vielen Juden verbreitet. Hellenistische Synagogen wurden gerne von hellenisierten Juden frequentiert. Für diese Gemeinschaft der Gläubigen entstand die Septuaginta, eine griechische Übersetzung alttestamentarischer Schriften.

    Als Targum werden Bibelübersetzungen aus der Schriftsprache Hebräisch in die Umgangssprache Aramäisch bezeichnet. Hier eine Handschrift aus dem Irak,11. Jh. n. Chr.
    Der neu geschaffene Kanon richtete sich indes an eine palästinensische Klientel, für die hebräische oder aramäische Texte benötigt wurden, und sollte zur Abgrenzung von der rasch wachsenden Christenheit beitragen. Zu den sprachlichen kamen noch inhaltliche Differenzen – was die Rabbiner für bibelwürdig hielten, deckte sich nur zum Teil mit den christlichen Ansichten.
    Dieser Unterschied hat Folgen bis heute: Als nämlich Hieronymus um 400 n. Chr. die Vulgata schuf, die bis heute maßgebliche Übersetzung der Bibelschriften ins Lateinische, bediente er sich zwar der hebräischen Urtexte, fügte aber einige griechische Texte aus dem weiter gefassten Kanon der Septuaginta hinzu. Martin Luther griff hingegen ausschließlich auf den hebräischen Kanon zurück und erklärte den Septuaginta-Überschuss für apokryph. Diese Anteile können daher in evangelischen Bibeln fehlen oder im Anhang angeführt sein; in katholischen Bibeln sind sie als „deuterokanonische“ Schriften fester Bestandteil des Alten Testaments. Dazu mehr im Kapitel „Ein bisschen apokryph“.

Das Neue Testament
    Die wesentlichen Ziele und Merkmale der Kanonisierung, wie sie bei der Entstehung des hebräischen Kanons zu beobachten waren, gelten auch für die Festlegung des Inhalts des Neuen Testaments. Es ging um die Schaffung einer einheitlichen textlichen (= ideologischen) Grundlage einer machtvollen Großkirche.
Apostolizität: Die (angenommene) Nähe eines Textes zu einem Apostel
    Freilich musste die Bedeutung von Texten auch noch anders zu begründen sein, um überhaupt in die nähere Wahl zu kommen. Bei diesen Kriterien ist als Erstes die Apostolizität zu nennen, womit die möglichst große Nähe zu den Aposteln gemeint ist. Unter Nähe verstand man sowohl zeitliche Nähe als auch inhaltliche Nähe zur Lehre Jesu,
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