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Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out

Titel: Die Umarmung des Todes - Kirino, N: Umarmung des Todes - Out
Autoren: Natsuo Kirino
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und Gefährlichkeit der Klinge unmittelbar an ihrem Gesicht.
    »Na, hast du Angst?«
    Masako sagte nichts, sondern schloss leise zitternd die Augen. Satake riss sie ihr mit den Fingern wieder auf. Gab es darin keine Angst, gab es darin keinen Hass, der die Angst überwand? Er stieß in Masako hinein und presste sie verzweifelt an sich, als müsse er ihr Innerstes durchwühlen. Nach was? Nach jener Frau damals? Nach Masako? Oder vielleicht nach sich selbst? War das, was er
suchte, ein Phantom, oder war es wirklich existent? Er vergaß die Zeit und hatte zuletzt sogar das Gefühl, der Körper der Frau, mit der er da verkehrte, sei Teil seiner selbst. Ihre Lust wurde zu seiner und seine Lust zu ihrer. Dann würde er selbst vergehen. Aber das war egal, er brauchte nicht länger auf dieser Welt zu sein. Er war sowieso nie darin zurechtgekommen.
    Satake sehnte sich nach der vollkommenen Verschmelzung mit Masako, danach, eins zu werden mit ihr. Während er heftig an ihren Lippen sog, bemerkte er, dass sie ihn ebenso ansah wie er sie. Er verging fast vor Lust und fragte sie zärtlich: »Gefällt es dir?«
    Statt zu antworten, stöhnte Masako laut auf. Jetzt war es echt, jetzt vereinigten sie sich wirklich miteinander. Als er ihren Höhepunkt nahen fühlte, nahm er langsam den Dolch neben sich in die Hand. Er würde noch mehr in sie eindringen. Er würde in ihren Gedärmen wühlen und ihre innerste Wärme am ganzen Körper spüren. Und dann würden sie zusammen der wahren Wonne entgegensteigen.
    »Bitte«, flüsterte Masako.
    »Was?«
    »Schneid mir die Fesseln durch.«
    »Nichts da.«
    »Aber so kann ich nicht kommen. Ich will mit dir zusammen kommen«, bettelte Masako mit heiserer Stimme. Er würde ihn so oder so in sie stoßen, sagte sich Satake und schnitt ihr den Strick, der ihre Handgelenke fesselte, mit dem Dolch durch. Masako schlang die befreiten Arme um Satakes Schultern und klammerte sich fest an ihn. Satake schob seine Arme unter sie durch und bettete ihren Kopf in seine Hände. Das tat er zum ersten Mal. Ihre Nägel krallten sich in seinen Rücken, ihre Körper wurden eins. Satake war kurz davor zu kommen. Er stöhnte auf. Ihm war, als hätte er den Hass endlich überwunden. Seine Hand tastete nach dem Dolch.
    Da sah er aus den Augenwinkeln irgendwo hinter sich die Klinge im Sonnenlicht aufblitzen. Der Dolch, der neben ihrem Kopf gelegen hatte, war urplötzlich in Masakos Hand und drohte auf ihn herabzusausen. Mit aller Kraft hielt er ihren Arm fest, schüttelte das Messer zu Boden und versetzte ihr einen gewaltigen Faustschlag ins Gesicht.

    Masako barg ihr Gesicht in die Hände, drehte sich zur Seite und verharrte so.
    Satake löste sich von ihr und brüllte, heftig keuchend und au ßer sich vor Zorn: »Du blöde Kuh! Jetzt müssen wir wieder von vorn anfangen!«
    Viel gewaltiger als der Ärger, dass Masako ihn beinahe umgebracht hätte, war seine Wut darüber, dass sie ihm das Erreichen des Grenzzustandes verdorben hatte, dem er schon so nahe gewesen war. Und gleichzeitig machte es ihn unsagbar traurig, dass Masako nicht ebenso empfunden hatte wie er.
     
    Masako war ohnmächtig geworden. Er berührte ihre Wange dort, wo er sie geschlagen hatte. Auf einmal empfand er Mitleid – für sie, aber auch für sich, und er trauerte um sich selbst, diesen kaputten Menschen, der den Gipfel der Lust nicht erreichen konnte, ohne die Frau, die er liebte, zu töten. Kein Zweifel, sie hatte Recht: Er war kaputt. Ein Wrack. Dieses Gefühl überkam ihn zum ersten Mal, und er barg seinen Kopf in den Händen.
    Nach einer Weile öffnete Masako die Augen. »Ich muss aufs Klo«, sagte sie matt mit immer noch abgewandtem Gesicht. Sie zitterte wie Espenlaub. Er hatte zu fest zugeschlagen; wenn er sie weiter so verschliss, würde sie ihm womöglich noch wegsterben, bevor sie die größte Wonne auskosten konnten.
    »Geh«, erlaubte er.
    »Mir ist kalt.« Taumelnd stieg Masako auf den Betonboden herab und zog sich schwerfällig die heruntergefallene Daunenjacke über den nackten Körper. Satake folgte ihr, als sie sich zu den Toiletten in der Ecke der Fabrikhalle schleppte.
    Es gab dort weder Wände noch Pfeiler, nur noch drei westliche Kloschüsseln standen da, wie aus dem Boden gewachsen. Sie waren grau von Staub und Schmutz, und man konnte nicht erkennen, ob die Spülung noch funktionierte. Aber Masako, die den Eindruck machte, als wäre sie zu keinem Gedanken mehr fähig, setzte sich auf die vorderste der Schüsseln und urinierte,
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