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Die Uhr der Skythen (German Edition)

Die Uhr der Skythen (German Edition)

Titel: Die Uhr der Skythen (German Edition)
Autoren: Alfred Cordes
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das war offensichtlich, ihr Bauch hob und senkte sich wie eine verrückt gewordene Pumpe, erhöhte den Systemdruck ständig weiter, obwohl die Ohren längst signalrot leuchteten, die Brustwarzen bis zum Äußersten ausgefahren waren, ihre Fingerspitzen zitternd am Bund der knappen Sporthose zupften, mit der sie wohl wieder das brunftige Wild auf dem Westerberg verrückt gemacht hatte.
    Ihr keuchender Atem machte ihm den seinen auch knapper, als wären sie beide so etwas wie ein korrespondierendes System, dabei stand sie wohl zwei Schritte ihrer muskulösen Beine entfernt, und er hing mit großen Augen in seinem Sessel, aus dem Kopfhörer, der über die Lehne hing, quäkte das Stockholmer Konzert, und in diesem unentschiedenen Augenblick, aus dieser Distanz fiel ihm ein, welche Aufnahme aus der Vorkriegszeit er im Kopf gehabt hatte.
    Das Königs-Konzert, flüsterte er, Gustav des Fünften fünfundsiebzigster Geburtstag. Zwei Flügel in rasender Manier.
    Das Heben und Senken ihres Unterleibs ließ adagio nach, er spürte, es war unzweifelhaft auch etwas Erotisches, aber Eva fegte jegliche Befindlichkeit mit auflodernden Lasern und einem verächtlichen Schnaufen davon.
    Deine scheiß-geriatrische Musik, zischte sie, riß das Kabel aus der Stereoanlage, griff sich den Kopfhörer und setzte ihn wie eine Trophäe auf, verfiel, als wäre noch etwas zu hören, in übertrieben bedächtige Bewegungen, die brennenden Augen für einen Moment in affektierter Kontemplation geschlossen, aber noch ehe er begriffen hatte, daß sie ihn der Lächerlichkeit preisgab, hatte sie sich den Kopfhörer bereits wieder heruntergerissen und ihn in eine Ecke gepfeffert, wo er klirrend zu endgültiger Ruhe kam.
    Eva, sagte er schwach, mühte sich aus seinem Sessel, wollte zunächst auf die Füße, um ihr wenigstens in vergleichbarer Körpergröße gegenüber zu stehen, aber wie eine Domina, die plötzlich ernst macht, stand sie jetzt mit gegrätschten Beinen vor ihm, und sein Kopf wäre unweigerlich in einem verfänglichen Gebiet mit ihrem Körper in Kontakt gekommen, hätte er sich nicht unverzüglich in den Sessel zurückfallen lassen.
    Offensichtlich hatte sie ihn nun so, wie sie ihn wollte. Ihm fiel kein Sterbenswort mehr ein, aber nichts anderes schien sie zu erwarten, schlich eine Weile vor ihm auf und ab wie eine Löwin, die in der Nähe der Wasserstelle darauf wartet, daß die Gazelle sich schwer getrunken hat, eine bedrohliche Stille legte sich in den Raum wie ein Narkosegift, und Fokko witterte die Gefahr, zog sich weiter in den Sessel zurück, sein Blick gefangen von den magischen Bewegungen ihrer Gliedmaßen, und erst, als sie sich sicher war, daß die Hypnose wirkte, erst, als sie mit seinen Augen seinen Verstand entführen konnte, wohin sie wollte, verlangsamte sie die Choreographie ihres Reigens, hockte sich seitlich auf die linke Lehne des Sessels, neigte sich in einer hübschen Drehung ihm zu, stützte die linke Hand auf die rechte Lehne und sah ihm von etwa sieben Zentimeter Entfernung in seine Seele hinein.
    Ihre Tirade begann wie ein leichter Wind an einem heißen Sommertag. Fokko ahnte wohl, daß das, was in Gang gekommen war, der Totentanz ihrer Beziehung sein könnte, aber er verstand nicht wirklich, was geschah, saß gefangen von ihren Gerüchen, angenagelt von ihrem Blick und gemartert von ihrer scharfen Stimme in seinem Radiosessel.
    Fokko van Steen, sagte sie langsam, du bist sowas von…
    In einer Sekunde flogen ihm sämtliche schlechte Eigenschaften durch den Kopf, die er von sich kannte.
    …sowas von ausrechenbar.
    Darauf wäre er nicht gekommen. Sie aber las aus einer Liste seiner Gewohnheiten, die sie offenbar im Kopf aufbewahrte. Es war eine lange Liste, und sie mußte sie vor einiger Zeit zu führen begonnen haben, hielt sich zunächst, ohne eine Rangordnung gelten lassen zu wollen, bei seinen Selbstgesprächen auf, die ihr von Anfang an auf die Nerven gegangen seien, so sehr offenbar, daß ihre Beziehung quasi als von vornherein für ungültig erachtet werden könne. Das kam ihm vor wie ein Widerspruch, aber er kam nicht dazu, über die Sache nachzudenken, Eva war schon wieder ein Stück voraus, beschrieb eine spezifische Form der Vernachlässigung, als beklagte sie sich über das Wetter oder schlechte Zeiten, streute zwischendrin ein, er sei auf jeden Fall ein netter Kerl, ebenso aber ein Symbol für Stagnation, lebe irgend in die falsche Richtung, nach rückwärts gewandt, ja, wiederholte sie mit einem
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