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Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman

Titel: Die Tuerme des Februar - Phantastischer Roman
Autoren: Tonke Dragt
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müsse, bis die Leute weg sind. Sonntags kommt normalerweise niemand hierher, nur zufällig heute; es ist nämlich ein Schiff angekommen, und die Matrosen möchten gerne die Türme besichtigen, weil sie heute Nachmittag schon wieder ablegen und erst nach längerer Zeit zurückkehren werden. So wird Herr Avla ausnahmsweise die Führung übernehmen; aber er sagt, dass ich besser nicht mitgehen solle. Warum eigentlich nicht? Ich möchte die Matrosen gerne einmal sehen. – Heute Nachmittag will mich der Turmaufseher dann allein rumführen.
    Draußen ist es kühl und grau, aber der Regen hat aufgehört. Herr Avla hat einen Topf mit Suppe auf den Herd gestellt; ich soll ab und zu einmal umrühren, während er weg ist.
    Jetzt schreibe ich zuerst auf, was gestern noch alles passierte:
    Fortsetzung des Berichtes vom 30. Februar: Wie ich die Türme erreichte und den Turmwächter kennen lernte.
    Er hat mir seinen Namen aufgeschrieben: Avla.
    Als ich gestern hier ankam, fand ich die Türme noch merkwürdiger als jetzt; ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass irgendjemand sie irgendwann gebaut hat. Hoffentlich werde ich nachher erfahren, wer sie errichtet hat, und wann das war und zu welchem Zweck. Heute machen sie einen ziemlich neuen Eindruck, während sie gestern uralt zu sein schienen. Trotzdem sahen sie nicht wie Ruinen aus. Seltsam.
    Das Wort »Ruine« ist auch seltsam; es fiel mir plötzlich ein. Nein, diese Türme sind keine Ruinen.
    Zwischen den Dünen und den Türmen liegt ein unebenes Stückchen Land, das mit Sand und Gras bedeckt ist. Dort blieb ich stehen und starrte nach oben. Da sah ich plötzlich Leute auf einer der Galerien – ganz hoch oben. Ich war überrascht, denn mit Menschen hatte ich dort nicht gerechnet. Nur einen Augenblick lang waren sie zu sehen; dann verschwanden sie in einer Tür. Erst jetzt schaute ich mir meine unmittelbare Umgebung an und entdeckte ganz in der Nähe eine Hütte.
    Die Türme sind starr und hoch und rechteckig. Die Hütte ist aus Holz; sie ist klein und krumm – ich meine schief, ein bisschen verfallen und unregelmäßig. Fenster und Türen waren geschlossen, aber ich hätte gerne angeklopft.
    Wieder sah ich Menschen in dem vorderen Turm. Diesmal gingen sie eine andere Galerie entlang. Immer wieder verschwanden sie (im Treppenhaus, wie mir später klar wurde) und kamen später auf einer darunter liegenden Galerie wieder zum Vorschein. Ich verstand nicht, warum. Und ich wusste auch nicht, was ich tun sollte: warten, bis die Leute unten angelangt waren, oder lieber weglaufen, bevor es so weit war? Es war auch möglich, an der Hütte anzuklopfen. Oder sollte ich flüchten, zurück in die Dünen? Aber meine Füße taten zu weh, um noch lange und weit zu laufen. Und mein Kopf war ganz benommen – also musste ich bleiben, wo ich nun einmal war.
    Nach einer Weile sah ich, dass die Leute aus dem Turm herauskamen, und zwar durch eine Drehtür – nein, durch mehrere Glastüren, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Eine Person fiel mir sofort auf: ein alter Mann mit sehr wuscheligem und weißem Haar. Er gestikulierte mit den Armen und wies mit den Fingern nach oben; er sprach zu den anderen Leuten, aber ich konnte nicht hören, was er sagte. Die Menschen liefen hinter ihm her. Sie sahen mich nicht. Schließlich verschwanden sie durch ein Tor, das links vom vorderen Turm aufs freie Feld hinausführt. (Das Tor steht da ganz allein; es gibt hier weder einen Zaun noch eine Mauer.) Der alte Mann mit den weißen Haaren blieb allein zurück; er sah den Leuten nach, bis sie verschwunden waren, wandte sich dann um und ging auf die Hütte zu, wo er ohne anzuklopfen eintrat. Bevor er hineinging, schaute er in meine Richtung und sah mich da stehen. Aber er sagte nichts.
    Eine Weile später hörte ich Stimmen. Neue Leute waren angekommen; sie standen vor dem Tor und zeigten auf die Türme. Der alte Mann kam wieder heraus, lief auf die Menschen zu und nahm sie mit. Sie verschwanden durch die Drehtüren in dem Turm, der am nächsten lag. Ich musste lange warten, bis sie auf der ersten Galerie auftauchten. Ob sie wohl bis ganz oben steigen?, überlegte ich. Aber ich hatte keine Lust, darauf zu warten und mir den Kopf zu zerbrechen, was die Leute wohl in dem Turm machten. Mir schien, dass ich nicht länger hier herumstehen konnte, und so ging ich langsam auf die Hütte zu. Vom Himmel fielen die ersten Regentropfen. Ich fror und war müde und hungrig; ich wollte irgendwo unterkriechen, warm und
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