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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts
Autoren: Roger Zelazny
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seufzte, und er fand aufs neue ihre Lippen.
    Sie frühstückten, und an jenem Tage gingen sie in das Tal der Gebeine. Er konnte keine Entfernungen unterscheiden noch die Perspektive richtig erfassen, und sie konnte nichts sehen, das gelebt hatte und jetzt tot war. So zeigte er ihr natürlich, als sie auf einer Bank aus Stein saßen – er, den Arm um ihre Schultern gelegt –, zeigte er ihr die Rakete, die gerade aus dem Himmel heruntergekommen war, und sie kniff die Augen zusammen und folgte seiner Handbewegung. Er zeigte ihr die Roboter, die angefangen hatten, aus dem Laderaum des Schiffes die Überreste der Toten vieler Welten zu entladen, und sie legte den Kopf zur Seite und starrte in die Richtung, die er ihr wies, sah aber nicht, wovon er redete.
    Selbst als einer der Roboter auf ihn zupolterte und ihm das Brett mit der Quittung und den Stift hinhielt und er die Quittung für die erhaltenen Leichen unterzeichnete, sah sie nicht und begriff auch nicht, was geschah.
    In den Tagen, die sich anschlossen, wurde sein Leben etwas wie ein Traum, angefüllt mit dem Vergnügen, das Sythia ihm bereitete, und durchzogen von gewissen unvermeidbaren Schmerzgefühlen. Sie sah ihn oft zusammenzucken und fragte ihn, was sein Gesichtsausdruck zu bedeuten hätte.
    Und er pflegte zu lachen und zu sagen: „Vergnügen und Schmerz sind einander nahe“ – oder so etwas Ähnliches.
    Und als die Tage weiterliefen, gewöhnte sie sich an, die Mahlzeiten zu bereiten und ihm die Schultern zu massieren und ihm die Drinks zu mischen und ihm manche Gedichte zu rezitieren, die er liebte.
    Ein Monat. Ein Monat, dann würde es enden, das wußte er. Die Faioli, was auch immer sie waren, bezahlten für das Leben, das sie nahmen, mit den Freuden des Fleisches. Sie wußten stets, wann der Tod eines Menschen bevorstand. Und in diesem Sinne gaben sie stets mehr als sie empfingen. Das Leben floh ohnehin, und sie bereicherten es, ehe sie es mit sich nahmen, vermutlich, um sich daran zu nähren, als Preis der Dinge, die sie gegeben hatten.
    John Auden wußte, daß noch kein Faioli im ganzen Universum je einem Manne wie ihm begegnet war.
    Sythia war wie Perlmutt, und ihr Körper war abwechselnd kalt und warm für seine Liebkosungen, und ihr Mund war eine winzige Flamme, die alles in Brand steckte, was sie berührte, mit Zähnen wie feinen Nadeln und einer Zunge wie das Herz einer Blume. Und so lernte er das kennen, was die Faioli, die Sythia hieß, Liebe nannte.
    Neben dem Lieben hatte nur wenig Bedeutung. Er wußte, daß sie ihn wollte, daß sie ihn am Ende benutzen würde, und war vielleicht der einzige Mann im Universum, der imstande war, eine Angehörige ihrer Art zu übertölpeln. Er verfügte über die perfekte Verteidigung gegen das Leben und den Tod. Jetzt, da er Mensch war und lebte, weinte er oft, wenn er daran dachte.
    Er hatte mehr als einen Monat zu leben.
    Er hatte vielleicht drei oder vier.
    Sein Monat war deshalb ein Preis, den er gern für das zu zahlen bereit war, was die Faioli anboten.
    Sythia quälte seinen Körper und entleerte ihn eines jeden Tropfens an fleischlicher Freude, die seine müden Nervenzellen enthielten. Sie verwandelte ihn in eine Flamme, einen Eisberg, einen kleinen Jungen, einen alten Mann. Wenn sie zusammen waren, waren seine Gefühle der Art, daß er das Consolamentum als etwas betrachtete, das er am Ende des Monats, der zum Ende neigte, vielleicht wirklich annehmen würde. Warum nicht? Er wußte, daß sie sein Bewußtsein absichtlich mit ihrer Gegenwart angefüllt hatte. Aber was enthielt die Existenz sonst noch für ihn? Dieses Geschöpf von jenseits der Sterne hatte ihm alles gebracht, was ein Mann sich wünschen konnte. Sie hatte ihn mit Leidenschaft getauft und ihn mit der Ruhe gestärkt, die darauf folgt. Vielleicht war das letzte Vergessen ihres letzten Kusses nach all dem das Beste.
    Er zog sie an sich. Sie verstand ihn nicht, aber sie reagierte.
    Er liebte sie dafür, und das war fast sein Ende.
    Es gibt etwas, das sich Krankheit nennt und das der Feind aller Liebenden gewesen ist, und er hatte es weit über das Maß aller lebenden Menschen hinaus gekannt. Sie konnte es nicht verstehen, sie, das Frauengeschöpf, das nur das Leben gekannt hatte.
    Also versuchte er nie, es ihr zu erklären, obwohl mit jedem Tag der Geschmack ihrer Küsse stärker und salziger wurde und jeder ihm ein sich verstärkender Schatten schien, dunkler und dunkler, stärker und schwerer, ein Schatten von jenem Etwas, von dem er nun
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