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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts
Autoren: Roger Zelazny
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wußte, daß er es am meisten begehrte.
    Der Tag würde kommen. Und er kam.
    Er hielt sie und liebkoste sie, und die Kalender all seiner Tage fielen über ihnen zusammen.
    Er wußte, während er sich ganz den Künsten und den Herrlichkeiten ihres Mundes, ihrer Brüste hingab, daß die Macht der Faioli ihn ins Garn gelockt hatte, wie all die anderen Männer, die sie gekannt hatten. Ihre Stärke war ihre Schwäche. Sie waren die letzte Essenz des Weiblichen. Durch ihre Zerbrechlichkeit erzeugten sie den Wunsch zu gefallen. Er wollte mit der bleichen Landschaft ihres Körpers verschmelzen, wollte in die Kreise ihrer Augen eingehen und sie nie wieder verlassen.
    Er wußte, daß er verloren hatte. Denn so, wie die Tage um ihn herum verschwunden waren, war er schwächer geworden. Er war kaum noch imstande, seinen Namen auf die Quittung zu kritzeln, die der Roboter ihm hinreichte, der auf ihn zupolterte und bei jedem schrecklichen Schritt Brustkästen eindrückte und Schädel knacken ließ. Eine kurze Zeitlang beneidete er das Ding. Geschlechtslos, leidenschaftslos, völlig der Pflicht ergeben. Ehe er den Roboter entließ, fragte er ihn: „Was würdest du tun, wenn du zum Begehren fähig wärest und einem Ding begegnetest, das dir all die Dinge gibt, die du dir in der Welt wünschst?“
    „Ich würde … versuchen … es zu … behalten“, sagte die Maschine, und rote Lichter blitzten an ihrer Kopfkuppel, ehe sie sich umwandte und über den Großen Friedhof hinweg davonstampfte.
    „Ja“, sagte John Auden laut, „aber das ist nicht möglich.“
    Sythia verstand ihn nicht, und an jenem einunddreißigsten Tage kehrten sie an jenen Ort zurück, wo er einen Monat lang gelebt hatte, und er spürte, wie ihn die Angst vor dem Tode, stark, so stark, überkam.
    Die Freuden, die sie ihm bereitete, waren noch erlesener als je zuvor, aber er hatte Angst vor jenem letzten Zusammensein.
    „Ich liebe dich“, sagte er am Ende, denn das war etwas, was er noch nie zuvor gesagt hatte, und sie strich ihm über die Stirn und küßte ihn.
    „Ich weiß“, sagte sie, „und für dich ist beinahe die Zeit gekommen, mich völlig zu lieben. Aber vor dem letzten Akt der Liebe, mein John Auden, sag mir eines: Was ist es, das dich anders macht? Wie kommt es, daß du soviel mehr von Dingen-die-nicht-Leben-sind weißt, als ein sterblicher Mann wissen sollte? Wie kam es, daß du an jenem ersten Abend an mich herantreten konntest, ohne daß ich es wußte?“
    „Das liegt daran, weil ich schon tot bin“, sagte er zu ihr. „Kannst du das nicht sehen, wenn du mir in die Augen siehst? Spürst du es nicht, wie eine besondere, spezielle Kälte, jedesmal, wenn ich dich berühre? Ich bin hierhergekommen, anstatt den kalten Schlaf zu schlafen, in dem ich ohnehin in etwas wie dem Tode hätte aufbewahrt sein müssen, einem Vergessen, in dem ich nicht einmal gewußt hätte, daß ich warte, warte, auf die Heilung, die es vielleicht nie gibt, die Medizin für eine der allerletzten tödlichen Krankheiten, die es im Universum gibt, der Krankheit, die mir nur noch eine winzige Zeitspanne des Lebens läßt.“
    „Ich verstehe nicht“, sagte sie.
    „Küß mich und vergiß es“, sagte er ihr. „So ist es besser. Ohne Zweifel wird es nie eine Heilmöglichkeit geben, denn manche Dinge bleiben immer finster, und man hat mich sicher vergessen. Du mußt den Tod an mir gefühlt haben, als ich meine Menschlichkeit wiederherstellte, denn so ist eure Art. Ich habe es getan, um mich an dir zu erfreuen, im Wissen, daß du eine der Faioli bist. Also genieße jetzt dein Vergnügen an mir und wisse, daß ich es teile. Ich heiße dich willkommen. All die Tage meines Lebens habe ich um dich gefreit, ohne es zu wissen.“
    Aber sie war neugierig und fragte ihn: „Wie erreichst du dann dieses Gleichgewicht zwischen dem Leben und Dem-was-nicht-das-Leben-ist, dieses Ding, das dich bei Bewußtsein hält und doch unbelebt?“
    „Es gibt Schaltungen in diesem Körper, den ich unglücklicherweise bewohne. Wenn man diese Stelle unter meiner linken Achselhöhle berührt, dann stellen meine Lungen das Atmen ein und mein Herz seinen Schlag. Dann tritt ein eingebautes elektrochemisches System in Funktion, wie es meine Roboter (für dich unsichtbar, ich weiß) besitzen. Dies ist mein Leben im Tode. Ich habe darum gebeten, weil ich Angst vor dem Vergessen hatte. Ich habe mich freiwillig gemeldet, Grabhüter des Universums zu sein, weil es an diesem Ort niemanden gibt, der mich sieht und
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