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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts
Autoren: Roger Zelazny
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sich herzog. Ein Vorsprung von etwa fünf Metern war in Ordnung, ich würde sie im Endspurt schlagen, durfte sie aber jetzt noch nicht hinter mir lassen.
    Unter uns war es unheimlich schwarz. Endlose Tiefe. Das Mindanao der Venus, wo die Ewigkeit eines Tages einmal die Toten hinter sich lassen würde. Ich drehte den Kopf zur Seite und berührte den Rumpf mit einem Fühler aus Licht; ich erkannte, daß wir etwa ein Viertel des Weges zurückgelegt hatten.
    Jetzt beschleunigte ich meine Züge und verkürzte den Abstand, den sie plötzlich zwischen uns gelegt hatte. Sie verstärkte ebenfalls ihr Tempo, und ich hielt mit. Mein Scheinwerferstrahl hielt sie fest.
    Sie wandte den Kopf zu mir, und das Licht fiel auf ihr Gesicht. Ich weiß nicht, ob sie gelächelt hat. Wahrscheinlich. Sie hob zwei Finger in dem uralten V, das Sieg bedeutet, und schwamm dann mit vollem Tempo weiter.
    Ich hätte es wissen müssen. Für sie war das bloß ein Rennen, etwas, das man gewinnen mußte.
    Also hängte ich mich hinein, mit aller Gewalt. Im Wasser zittere ich wahrscheinlich nicht, und wenn ich es tun sollte, macht es mir jedenfalls nichts aus, denn ich bemerke es nicht. Ich begann, den Abstand zwischen uns zu verkürzen. Sie sah sich um, raste weiter, sah sich erneut um. Jedesmal war ich nähergerückt, bis ich den Abstand auf die ursprünglichen fünf Meter verkürzt hatte.
    Und dann schaltete sie die Nachbrenner ein.
    Ich hatte es kommen sehen! Etwa die halbe Strecke lag hinter uns, und sie hätte es nicht tun dürfen. Die mächtigen Preßluftdüsen konnten sie leicht wie eine Rakete nach oben gegen den Rumpf schleudern oder irgendwas losreißen, falls sie ihre Körperhaltung veränderte. Man benutzt die Düsen, um sich von Meerespflanzen loszureißen oder gegen widrige Strömungen anzukämpfen. Ich hatte sie für den Notfall und wegen der mächtigen Schrauben mitgenommen.
    Sie schoß wie ein Meteor davon, und ich spürte, wie sich plötzlich mein Schweiß in das schäumende Wasser mischte.
    Ich schwamm weiter, wollte meine eigenen Düsen nicht einsetzen. Sie verdreifachte, vervierfachte inzwischen den Abstand. Dann verloschen die Düsen, und sie war immer noch auf Kurs. Okay. Ich war eben ein alter Angsthase. Aber immerhin hätte sie eine Katastrophe anrichten können.
    Ich durchpflügte das Meer und begann wieder aufzuholen, etwa einen Viertelmeter bei jedem Zug. Der Sog machte sich auf einmal bemerkbar. Wir näherten uns den Schiffsschrauben. Jean schien ein wenig zu torkeln.
    Ich war einmal hineingeraten, damals, unter der Delphin, einem Fischerboot der Mittelklasse. Zugegeben, ich hatte vorher getrunken, und man hatte das Ding zu früh eingeschaltet. Zum Glück schaltete man es rechtzeitig wieder aus, und ein Knochenklempner hat mir alles zurechtgestutzt. Im Logbuch hatten sie die Sache verewigt. Da stand dann nur, daß ich getrunken hatte. Daß das in meiner Freizeit mein gutes Recht war, nahmen die nicht auf.
    Sie schwamm jetzt mit halber Geschwindigkeit, bewegte sich aber immer noch schräg auf die Backbordseite, achtern zu. Auch ich begann die Anstrengung zu spüren und wurde langsamer. Sie hatte das Schlimmste hinter sich, schien mir aber zu weit außen zu liegen. Unter Wasser ist es schwer, Abstände zu schätzen, aber meine Taucheruhr verriet mir, daß ich recht hatte. Sie war außer Gefahr, was den Hauptantrieb betraf, aber sie hielt jetzt unmittelbar auf die kleinere Backbordschraube zu. Dann gab sie ihren Kurs auf, entfernte sich wieder von der Schraube. Zwanzig Meter trennten uns. Sie schwamm auf der Stelle. Fünfzehn Meter.
    Langsam begann sie rückwärts abzutreiben. Sofort schaltete ich meine Düsen ein, zielte etwa zwei Meter hinter sie und zwanzig Meter an den Schraubenblättern vorbei.
    Schnurgerade! Gott sei Dank! Meine eine Schulter stieß gegen ihren Leib, die andere kollidierte mit einem Leitungsrohr. Schwimmwiederteufel!
    Maske gesprungen, aber nicht gebrochen. Undhinauf!
    Wir schnappten uns eine Leine, und dann erinnere ich mich noch an den Brandy, den ich trank.
     
    Schlaflosigkeit, Schmerzen in der linken Schulter. Ver dammt blöd, was ich sagte. Wir waren in Decken eingehüllt, zitterten. Sie: „Carl, ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Ich: „Dann sind wir eben quitt für diese Nacht in Govino, Miß Luharich, hm?“ Sie schwieg. Ich: „Noch einen Brandy?“ Sie: „Einen noch.“ Ich zu mir: Es hatte nur drei Monate gedauert. Keine Alimente. Auf beiden Seiten genügend Geld. Nicht sicher, ob sie
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