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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts
Autoren: Roger Zelazny
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Da rief ich Mike an.
    „Was machst du dort unten?“
    „Ich zerbrech’ mir den Kopf darüber, was du dort oben machst“, antwortete er. „Wie stets denn?“
    „Du kommst doch aus dem Mittleren Westen oder?“
    „Yeah.“
    „Dort draußen gibt’s ziemlich üble Stürme, oder?“
    „Manchmal.“
    „Dann versuch an den schlimmsten zu denken, den du je mitgemacht hast. Hast du einen Rechenschieber dabei?“
    „Liegt vor mir.“
    „Dann multipliziere das Ganze mit hundert und erheb’s ins Quadrat.“
    „Ich kann mir die Nullen nicht vorstellen.“
    „Schon gut, dann nimm eben nur das Quadrat.“
    „Was machst du eigentlich dort oben?“
    „Ich hab’ mich am Stuhl angeschnallt. Jetzt seh’ ich zu, wie alles am Boden herumrutscht.“
    Ich sah wieder hinaus. Ich sah einen Schatten, der dunkler war als seine Umgebung.
    „Betest du, oder fluchst du?“
    „Woher soll ich das wissen. Wenn nur der Gleiter da wäre, wenn ich nur den Gleiter hätte!“
    „Ist er dort draußen?“
    Ich nickte, vergaß, daß er mich nicht sehen konnte.
    Groß, so groß, wie ich mich an ihn erinnerte. Er war nur für ein paar Augenblicke an die Oberfläche gekommen, um sich umzusehen. Es gibt keine Macht auf der Erde, die man mit ihm vergleichen kann, ihm, der geschaffen war, keine zu fürchten. Ich ließ meine Zigarette fallen. Es war genauso wie beim letztenmal, eine Lähmung, ein Schrei, der mir auf den Lippen erstarb.
    „Alles in Ordnung, Carl?“
    Er hatte mich wieder angesehen. Es schien mir wenigstens so. Vielleicht hatte dieses hirnlose Monster ein halbes Jahrtausend gewartet, um das Leben eines Mitglieds der am höchsten entwickelten Gattung von Lebewesen zu ruinieren …
    „Alles in Ordnung?“
    … oder vielleicht war es schon ruiniert, lange vor der Begegnung, und das hier war nur ein Zusammentreffen von Tieren, wobei das Stärkere das Schwächere zur Seite schob, Leib gegen Seele …
    „Carl, verdammt noch mal! Sag doch etwas!“
    Wieder kam er an die Oberfläche, diesmal näher. Haben Sie je einen Rüssel eines Tornados gesehen? Er kommt einem vor wie etwas Lebendiges, wenn er sich in all dieser Finsternis bewegt. Nichts hat das Recht, so groß zu sein, so stark und sich zu bewegen. Eine Empfindung, bei der einem übel wird.
    „Bitte, gib mir Antwort.“
    Er war verschwunden und kam an diesem Tag nicht mehr zurück. Ich machte Mike gegenüber schließlich ein paar dumme Bemerkungen, aber ich hielt meine nächste Zigarette in der rechten Hand und zündete sie nicht an.
    Die nächsten siebzig- oder achtzigtausend Wellen brachen sich mit monotoner Gleichförmigkeit am Schiffsrumpf. Die Tage waren ohne Unterschied. Am Morgen des dreizehnten Tages aber begann unser Glück zuzunehmen. Die Glocken rissen uns aus unserer von Kaffee durchsetzten Lethargie, und wir rannten aus der Messe, ohne zu hören, was Mike uns zu sagen hatte.
    „Achtem!“ schrie jemand. „Fünfhundert Meter!“
    Ich zog mich bis auf meine Shorts aus und fing an, mich fertigzumachen. Ich habe meine Ausrüstung immer in Reichweite. Dann stolperte ich quer übers Deck und schnallte mir den Köder um.
    „Fünfhundert Meter, zwanzig Faden!“ brüllten die Lautsprecher.
    Die großen Schotten krachten, und der Gleiter wuchs zur vollen Höhe, die „Lady“ am Schaltpult. Er rasselte an mir vorbei und schlug vor mir Wurzeln. Sein einer Arm hob sich, wurde länger.
    Jetzt riefen die Lautsprecher: „Vier achtzig Komma zwanzig!“
    „Status Rot!“
    Ein Knallen, wie wenn ein Champagnerkorken aus der Flasche fliegt, und die Leine schoß über das Wasser dahin.
    „Vier achtzig zwanzig!“ wiederholte der Lautsprecher. „Ködermann fertigmachen!“
    Ich schob mir die Maske zurecht und kletterte hinunter. Zuerst warm, dann kalt, dann Absprung.
    Unendlich grüne Einsamkeit. Schnell hinunter. Das hier ist der Ort, wo ich es mit jedem Fisch aufnehme.
    Ich sah die treibenden Kabel und folgte ihnen in die Tiefe. Grün, dann dunkelgrün, dann schwarz. Es war ein weiter Schuß gewesen, zu weit. Ich hatte noch nie so weit hinunterfolgen müssen. Und meine Lampe wollte ich nicht einschalten.
    Aber ich mußte.
    Schlimm. Ich hatte noch ziemlich weit.
    Schließlich endete die Leine.
    Ich schlang einen Arm darum und löste den Zappler von meinem Gurt. Ich arbeitete, so schnell ich konnte, befestigte ihn und stellte die kleinen isolierten Verbindungen her, die der Grund dafür sind, daß man den Zappler nicht mit der Leine hinausschießen kann. Ikky konnte die
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