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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts
Autoren: Roger Zelazny
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fixierte er mich. Vielleicht lähmt die Schlange das Kaninchen gar nicht, vielleicht sind Kaninchen nur von Natur aus feige. Der Ikky begann an seiner Fessel zu zerren, aber ich war immer noch so fasziniert, daß ich mich nicht bewegen konnte.
    Beeindruckt von all der Kraft, von diesen Augen, hatte ich alles um mich herum vergessen. Man fand mich fünfzehn Minuten später, an Kopf und Schulter leicht verletzt. Der Injektor-Knopf war noch immer nicht gedrückt! Ich träume von diesen Augen. Ich will sie noch einmal sehen, selbst wenn es eine Ewigkeit dauert, bis ich sie finde. Ich muß wissen, ob in mir etwas ist, das mich daran hindert, wie ein Kaninchen zu reagieren, und mich von eingeprägten Reflexen und Instinkten befreit, die immer dann zum Zuge kommen, wenn die gleiche Ausgangssituation eintritt.
    Ich sah meine Hand an und stellte fest, daß sie zitterte. Als ich aufblickte, bemerkte ich, daß es sonst keiner bemerkt hatte.
    Ich trank mein Glas leer und kratzte meine Pfeife aus. Es war spät.
     
    Ich saß da und schnitzte an einem Stück Holz herum. Meine Beine hingen über das Achterdeck, und die Späne fielen in die Furche unseres Kielwassers. Wir waren drei Tage unterwegs. Bisher lief alles glatt.
    „Hallo!“
    „Ich?“
    „Ja, du.“
    Ich sah Haare, die mir wie das Ende eines Regenbogens erschienen, Augen, denen nichts in der ganzen Schöpfung glich, und himmlische Zähne.
    „Hallo.“
    „Weißt du nicht, daß du gegen eine Sicherheitsvorschrift verstößt?“
    „Oh, doch. Ich hab’ mir den ganzen Morgen den Kopf darüber zerbrochen.“
    Eine zarte Locke ringelte sich um mein Messer und fiel dann ins Wasser. Sie blieb eine Weile in dem Schaum hängen; schließlich wurde sie untergepflügt. Ich musterte das Spiegelbild meiner Gesprächspartnerin auf der Klinge meines Messers und amüsierte mich im stillen darüber, wie verzerrt es war.
    „Willst du mich herausfordern?“ fragte sie schließlich.
    Ich hörte sie lachen, drehte mich um und wußte, daß ich mit Absicht gehandelt hatte.
    „Was, ich?“
    „Ich könnte dich spielend ins Wasser stoßen.“
    „Ich würde nicht untergehen.“
    „Würdest du mich ins Wasser stoßen – vielleicht in einer finsteren Nacht?“
    „Die Nächte hier sind alle finster, Jean. Ich würde dir meine Schnitzarbeit schenken.“
    Sie setzte sich neben mich, und ich konnte nicht umhin, die Grübchen in ihren Knien zu bemerken. Sie trug weiße Shorts, dazu ein Bikinioberteil, und ihre Bräune, die nicht von dieser Welt stammte, wirkte sehr attraktiv. Beinahe empfand ich so etwas wie Schuldgefühl, weil ich die ganze Szene geplant hatte. Aber dennoch verbarg meine rechte Hand immer noch das hölzerne Tier, das ich geschnitzt hatte.
    „Na schön, ich beiße an. Was hast du denn für mich?“
    „Nur einen Augenblick. Ich bin beinahe fertig.“
    Ich reichte ihr feierlich den hölzernen Esel, den ich geschnitzt hatte. Beinahe tat es mir leid, ich kam mir selbst wie ein Esel vor, aber ich mußte konsequent bleiben. Ich bin es immer. Das Maul des Esels war zu einem Grinsen verzogen, seine Ohren standen aufrecht.
    Sie lächelte nicht, runzelte aber auch nicht die Stirn. Sie betrachtete den Esel bloß interessiert.
    „Sehr gut“, sagte sie schließlich. „Sehr gut, wie fast alles, was du tust, vielleicht auch passend.“
    „Gib ihn mir zurück.“ Ich streckte die Hand aus.
    Sie gab ihn mir, und ich warf ihn ins Wasser. Eine Weile tanzte er wie ein pygmäenhaftes Seepferd auf den Wellen.
    „Warum hast du das getan?“
    „Es war ein schlechter Witz. Tut mir leid.“
    „Vielleicht hast du recht. Vielleicht habe ich diesmal ein wenig zu viel abgebissen.“
    Ich knurrte bloß.
    „Warum nimmst du dir denn nicht etwas Sicheres vor? Irgendein Rennen zum Beispiel?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Es muß ein Ikky sein.“
    „Warum?“
    „Warum warst du denn so verrückt nach diesem Monster? Du hast doch ein Vermögen dafür ’rausgeworfen.“
    „Gründe, wie sie nur ein Mann versteht“, sagte ich. „Ein Psychiater hat mir einmal gesagt: ‚Mister Davits, Sie müssen das Bild Ihrer Männlichkeit aufwerten, indem Sie jeden Fisch, den es auf der Welt gibt, fangen.’ Fische sind ein sehr altes Männlichkeitssymbol, weißt du. Also machte ich mich ans Werk. Einer fehlt mir noch! Warum willst du denn deine Männlichkeit verstärken?“
    „Das will ich nicht“, sagte sie. „Ich will gar nichts verstärken, außer das Luharich-Unternehmen. Man hat mir einmal gesagt:
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