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Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
Autoren: Ivonne Hübner
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ist nun mit den Servietten?“
    „Mein Vater arbeitet heut nicht“, sagte der Weber überflüssigerweise, während er aus der Webbank kletterte und sich damit Zeit ließ.
    Der provoziert dich! Lass dich nicht ärgern! „Und wieso nicht?“ Luisa machte einen Schritt nach links, um an den Strippen vorbeisehen und den Weber beobachten zu können. Aber sie sah nur seine Hände. Kräftige Hände mit schmalen Fingern und sauberen Fingernägeln drehten die Spule aus dem Schiffchen und knoteten den Restfaden ab. Flinke, routinierte Bewegungen. „Wieso nicht? Was ist mit dem Meister?“ Mit Worten sparte man hier offenbar.
    Diese Leute waren verbohrt und stur. Sie wollte nichts als heim. Es war spät und sie hatte Hunger. Durch die winzigen Fenster der Blockstube sah sie tiefe Schwärze, durchkreuzt vom Glitzern herabschwebender Schneeflocken. Auf den äußeren Fensterbrettern standen sogar schon die Körbchen für die Vögel. Hier konnte es wohl jemand kaum erwarten, dass zur Vogelhochzeit Ende Januar die Vögel in Scharen geflogen kamen und Zuckerzeug und Eiergebäck in die Körbchen legten, um sich für die Fütterung im Winter zu bedanken – im Winter, wenn die Weber reihenweise an der Weberkrankheit starben. Die Toten kehrten in den Körpern von Vögeln nach Hause zurück und man hatte dafür Sorge zu tragen, dass sie genug Futter bekamen. Bis jetzt lag statt Gebäck eine Handbreit Schnee in dem Körbchen.
    Ein Krachen holte Luisa aus ihren Gedanken in die Weberstube zurück. Caspar Weber hatte die leere Spule des Webschützen in einen Korb geworfen und stellte sich jetzt mit dem Rücken ans Wärmeröhr in der Ofenwand.
    „Hexenschuss“, fand Maria Weber endlich ihre Sprache wieder.
    „Wie bitte?“
    „Mein Friedrich hat’s mit dem Rücken, Fräulein.“
    „Oh nein, wie ärgerlich.“ Es fehlte nicht viel und Luisa hätte zornig mit dem Fuß aufgestampft.
    „Pff!“ Das kam vom Weber, der ihr immer noch unhöflicherweise den Rücken zuwandte und vor dem Ofen stand. Er schüttelte den Kopf, sodass sein unordentlicher, offenbar mit einem Restfaden zusammengebundener, dunkelblonder Zopf auf seinen Schulterblättern hin- und herschwang. Was gab es da den Kopf zu schütteln?
    Luisa stemmte die Hände in die Hüften. Aber als er sich umdrehte, stockte ihr der Atem, fielen ihre Arme in die bauschende Schurwolle ihrer Pelerine. Dunkelblaue Augen, dunkelblau wie die Eisschicht des Pocheteichs, eisblau, aber nicht kalt. Augen wie tiefe Seen voller Stolz und Vorwurf starrten sie entgeistert an. Sie konnte seinem ernsten Blick nicht standhalten. Und senkte die Lider direkt auf seine Füße. Luisa schauderte. Er hatte gar keine Schuhe an. Seine Füße mussten Eisblöcke sein!
    „Und was mach ich jetzt?“
    Er zuckte mit den Achseln, als sei sie einfältig. Die nachtblauen Augen dieses Mannes regten sie auf, aber sie hätte nicht sagen können warum. Als Balthasar die Stube betrat, drehte sich der Ältere wieder zum Wärmeröhr in der Ofenwand um, zog einen Topfhandschuh über und füllte aus einem Stieltopf etwas heiß Dampfendes in mehrere Keramikbecher. Der Jüngere indes war auf der Hut, Luisas weiten Rock nicht zu berühren, während er sich in der Enge an ihr vorbeiquetschte. Gerade so, als sei sie eine Aussätzige. Ein Blick der Mutter hieß dem Jungen, sich an den Stubentisch zu setzen und der magere Kerl rückte umständlich den Stuhl zurecht. Auf dem Stubentisch herrschte ein heilloses Durcheinander: kleine Ringe, längliche klöppelartige Metallzapfen und ein zerzauster Federgarden, wozu, wusste Luisa nicht.
    Hier war offenbar vorerst niemand bereit, mit ihr zu sprechen. Doch die kannten Luisas Hartnäckigkeit nicht. Wie um diese zu demonstrieren, zog sie ihre Handschuhe aus und atmete tief ein und wieder aus. Der Ältere der Webersöhne drehte sich gewandt um und balancierte zwei Becher und einen Holzteller, während er auf sie zuschritt. Luisa blinzelte unaufhörlich, wogegen sie machtlos war. Kurzerhand drückte er ihr einen der Becher in die Hand. Sie murmelte ihren Dank und schaute eigenartig berührt auf ihren Tee. Dann sorgte er mit dem linken Unterarm für Ordnung auf dem überfüllten Stubentisch und setzte dem Jungen sein Abendbrot vor, was nach Luisas Einschätzung eigentlich Maria Webers Aufgabe hätte sein sollen. Diese Sitten bei den Häuslern!
    Maria Weber zumindest fand ihre Sprache wieder: „Also, das war so, Fräulein Treuentzien. Gestern war alles noch in Ordnung mit meinem Friedrich.
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