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Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
Autoren: Ivonne Hübner
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Hatten früh noch das Strohblumen-Bukett“, Frau Weber sprach es so aus, wie man es schrieb – Bu-kett, „für den jungen Wanger gesteckt, und da, mit einem Male ...“
    „Mama, lass das!“
    „Wieso denn, Caspar, das Fräulein kann ruhig wissen, was hier los war! – Und heute Morgen, Fräulein Treuentzien, ging gar nichts mehr, konnte er sich nicht mehr rühren.“
    „Ja, weil er tot war.“ Luisa wurde ungläubig angestarrt. Von allen dreien. Sie schmeckte Minze, Myrrhe, Salbei.
    „Nicht der Emil Wanger, Fräulein, sondern mein Friedrich.“
    „Verstehe.“ Luisa räusperte sich verlegen.
    „Der konnte sich nicht mehr rühren. Keinen Zollbreit, Fräulein Treuentzien. Konnte nicht mal auf die Beerdigung vom Emil.“
    „Schon gut, Mama“, mischte sich Caspar Weber ein. „Das Fräulein interessiert es nicht, was mit Vater los ist, sondern was mit den Servietten los ist.“
    „Richtig, also?“
    „Es fehlen noch zweieinhalb Zoll.“ Jetzt hatte Frau Weber einen ganz anderen Tonfall, geradezu weinerlich. Schlimm. Wenn sie anfängt zu weinen, hast du verloren. Vaters Stimme in ihrem Ohr. „Zweieinhalb, Fräulein, zwei Fingernägel lang fehlen und alles wegen dem Hexenschuss!“
    Wegen des Hexenschusses, verbesserte Luisa in Gedanken.
    „Wir kriegen’s nicht fertig, Fräulein.“ Maria Webers Kopf ruckte in Richtung Webstuhl.
    „Mama! Hör schon auf!“ Caspar stellte seinen Becher ab, lehnte mit dem Gesäß an der Ofenwand und verschränkte in einem impertinenten Anflug von Überheblichkeit die Arme vor seiner Brust. „Zweieinhalb Zoll sind nichts Unmögliches. Sechs, sieben Stunden. Wir können’s heut Nacht schaffen.“
    Maria Weber drehte sich abrupt zu ihrem Sohn um.
    Da war Luisa in etwas Privates hineingeraten. Sie räusperte sich abermals, damit man nicht vergaß, dass sie noch da war.
    Das wirkte. Die Weberin drehte sich wieder zu ihr um und meinte: „Balthasar ist nicht so schnell. Man muss jeden seiner Handgriffe kontrollieren. Er verliert ständig den Faden.“
    „Fpimmp gar nich!“
    „Red nicht mit vollem Mund, Junge!“, fuhr die Frau den Jungen an. Sie sollte sich lieber um den Benimm ihres Ältesten Sorgen machen, überlegte Luisa. Dem schenkte sie einen Blick, der klar machen sollte, wer hier das Regiment führte. Klare Worte musste sie mit denen sprechen! „Kann kein anderer das Tuch ziehen? Wo sind Ihre Töchter, Frau Weber?“
    „Im Bett, wo sie hingehören!“, antwortete Caspar Weber anstelle seiner Mutter. Sein „Das geht dich gar nichts an“-Blick ärgerte Luisa.
    „Tja, Frau Weber, das müssen Sie entscheiden. Was ein Ausfall bedeutet, muss ich Ihnen doch nicht erklären, oder?“ Die Weberin schüttelte knapp den Kopf, ängstlich. Luisa war sich ihrer Macht bewusst. „Es ist doch so“, wurde sie jetzt sachlich, „vom sächsischen Königshof sind fünfundvierzig solcher Servietten bestellt worden. Die fehlenden zehn hier hätte Ihr Mann heut Nachmittag ins Kontor bringen sollen. Mein Vater hat bereits alles für den Export fertig. Morgen früh um halb sechs wird er das Zeug nach Westen, nach Dresden bringen. Mit oder ohne Ihre zehn. Tja, Frau Weber, Sie ruinieren sich und uns, wenn Sie die nicht abgeben.“ Luisa machte eine laxe Handbewegung Richtung Zampelstuhl.
    Wenn Blicke töten könnten! Sie wurde von Caspar Webers zu schmalen Schlitzen verengten Augen durchbohrt. Für wen hielt der sich! Caspar Weber musterte sie ungeniert von oben bis unten, ganz ungeniert, und quittierte ihren feinen Aufzug mit Arroganz, die ihm nicht zustand! „Über Nacht machen wir die fertig.“
    „Das ist nicht erlaubt.“
    Er zuckte wieder nur mit den Achseln und starrte sie frech an. Seine Winteraugen erinnerten sie spontan an Caspar David Friedrichs Gemälde „Eismeer“, das dominiert war von diesem Blau.
    Sie entledigte sich ihres Bechers auf dem wüsten Tisch. Das Rascheln ihres gesteppten Unterrocks übertönte jedes feine Geräusch, als sie unaufgefordert tiefer in die Stube trat und sich an den Zampelstuhl stellte. Dann tat sich gar nichts mehr. Kein Atemzug. Kein Wimpernschlag. Ihre ganze Anspannung wich devoter Faszination, als sie sah, was hier geschaffen wurde. Unfähig zu sprechen, sich zu regen, zu atmen in andächtigem Einklang mit dem Schönen, stand sie hinter der Webbank und schaute auf die weiß in weiß schimmernden Blattranken, die das wunderbar filigrane Mittelstück des Tuches einrahmten. Luisa liebte schöne Dinge. Sie liebte diffizil gemalte Landschaften
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