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Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)

Titel: Die Tuchhändlerin: Liebesroman aus der Zeit der Weberaufstände (German Edition)
Autoren: Ivonne Hübner
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die von kleinen einsamen Öllämpchen erhellt wurde.
    „Sie kommen wegen heut Morgen, ja?“ Maria Weber setzte sich, jetzt, nachdem sie Luisa eingelassen hatte, vor die Haspel. Sie nahm ihre Arbeit wieder auf, sicherlich nur, um sich von Angesicht zu Angesicht mit dem hohen Besuch an irgendetwas festhalten zu können.
    „Ja. Wo finde ich Meister Weber?“
    Schweigen.
    Luisa schaute hinüber zum Webstuhl im hinteren Eck der Stube, von wo ein junger Bursche sie beäugte. Es war der Ziehjunge auf seinem Zieherpodest an der Längsseite des Webstuhls, Strippen in der Hand, Furcht im Blick. „Das Arbeiten am Zampelstuhl im Beisein Unbefugter steht unter Strafe.“ – „Des Handwerks Recht und Ordnung“, Paragraph 14, Absatz 2. Die Lehrbücher kannte sie in- und auswendig und Luisa hätte das Gesetz gern zitiert.
    „Im Bett ist er.“ Das sagte der Mann in der Webbank, den Luisa nicht sehen konnte, weil zu viel Webwerk den Blick versperrte.
    „Im Bett. So, so. Hm-mmh.“ Luisa versuchte den Weber auf der Webbank, verborgen von den Strippen, die aus dem Himmel des Webstuhls wie Regenfäden flossen, zu erkennen. „Des Handwerks Recht und Ordnung“, Paragraph 25, Absatz 12: „Das Webwerk darf nur von ein und demselben Weber ausgeführt werden, Zuwiderhandlung steht unter Strafe.“ Sie wurde nervös, weil hier gegen das Zunftgesetz verstoßen wurde und weil sie nicht wusste, was sie tun sollte. Zu ihrem Vater rennen und petzen? Kalter Schweiß trat in ihre Achseln. Selbst wenn sie mit ihren beiden Eltern, ihren vier Schwestern und ihrem Verlobten zusammen in einem Raum war, hatte es nichts so Beengendes an sich wie die augenblickliche Situation.
    „Ich komme nämlich, um die Damastservietten abzuholen. Sie haben Ihre Abgabe versäumt.“ Wie unsinnig, die Leute daran zu erinnern. Sie ging das ganz falsch an! Außerdem war das letzte ihrer Worte vom Krachen der Weblade und des Weberschiffchens verschluckt worden. Nein, das lief ganz falsch ab. Luisa straffte ihre Haltung und erhaschte einen flüchtigen Blick auf die sehnigen Unterarme des Mannes, der die Fäden zu den kostbaren königlichen Dresdner Servietten verarbeitete beziehungsweise längst damit hätte fertig sein sollen. „Ähm, also, die Servietten, Frau Weber. Die soll Ihr Mann heute Abend noch ins Kontor bringen. Sagen Sie ihm das, ja? – Gott befohlen.“ Luisa machte auf dem Absatz kehrt.
    „Moment mal!“, rief der Mann in der Webbank.
    Wie brüsk! Luisa fuhr herum. Die Stimme hatte sie erkannt. Caspar Weber! Der war doch auf der Beerdigung vom Emil Wanger gewesen. Da hätte er auch ins Kontor kommen können, um die Sachlage zu erläutern! Und überhaupt: Wie redete dieser Mensch mit ihr? Und ließ sich dazu noch nicht einmal blicken! Sie drückte demonstrativ die Türklinke herunter. Die quietschte zum Gotterbarmen.
    „Warten Sie!“ Wieder so schroff! Luisa konnte den Weber nicht sehen, nur hören. Jetzt zählte er seine Anschläge, um den Faden nicht zu verlieren in einem Tuch, das längst abgebäumt und verpackt in Vaters Warenlager liegen sollte, gewebt von Meister Weber, wohlgemerkt, und nicht von dessen Sohn!
    Sie schloss die Tür nicht gerade leise. Bleib ruhig!, befahl sie sich. Führe die Weber, Luisa, lass dich nicht von ihnen führen. Vaters Stimme in ihrem Ohr. „Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, Herr Weber, dass es nicht gestattet ist, in Anwesenheit eines Außenstehenden zu weben?“ Das hatte nicht streng genug geklungen! Außerdem scherte sich dieser Kerl überhaupt nicht um ihr Gebot! Er schleuderte das Weberschiffchen durch das Webfach. Was nahm der sich heraus! Sie räusperte sich und rief viel lauter: „Und darf ich Sie darauf hinweisen, Herr Weber, dass dies dort der Auftrag Ihres Vaters ist – oder vielmehr war – und nicht Ihrer!“
    „Oh Gott, Caspar, hör schon auf!“, mahnte ihn Maria Weber, aber das Weberschiffchen knallte weiter gegen die Wandung des Webstuhls. Luisa beobachtete die Weblade, die krachend, nein wütend, vom Weber zurück zum Brustbaum gezerrt wurde. Wer war hier wütend? Aber wenigstens war es endlich still.
    „Pause, Balthasar.“ Das sagten die Mutter und der ältere Sohn wie aus einem Munde und der Ziehjunge, Balthasar, stieg vom Podest. Luisa hörte seine Knie knacken, während er sich an ihr vorbeidrückte. Die Türklinke quietschte, die Haustür krachte, flinkes Stapfen im Schnee, das verriet, dass der Junge das Heimlichste aufsuchte.
    Luisa unterbrach den stillen Moment: „Also, was
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