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Die Trugburg

Die Trugburg

Titel: Die Trugburg
Autoren: Horst Hoffmann
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andere Stimme. »Ja, mein Sohn. Und stoße auch mir das Schwert in die Brust, auf daß wir beide unseren Frieden finden.«
    Nein! schrie es in Ceroc, als seine Hand sich dem Griff näherte. Keine Zauberkraft konnte sie mehr daran hindern.
    Und als zwei Klingen gleichzeitig zustießen, erscholl ein Geheul aus den Wänden, wie selbst Ceroc es niemals zuvor gehört hatte. Sein Leben aushauchend, sah er die Eingeschlossenen aus den Mauern treten, und er wußte, was das bedeutete. Ein Hellseher hatte es ihm einst prophezeit:
    Wenn die Nichttoten wieder zu leben beginnen, ist das Ende dieser finsteren Burg gekommen!
*
    Eroice fuhr herum und stieß einen markerschütternden Schrei aus. »Weg!« kreischte sie. »Fort! Fort!«
    Mythor merkte, wie sich der Bann auflöste. Er sprang von der Wand fort, in der sich ein drei mal zwei Fuß großer Quader um eine unsichtbare Achse gedreht hatte, und warf sich schützend über Ilfa. Was außen gewesen war, war innen. Eroice wich mit weit von sich gestreckten Händen vor dem Spiegel zurück.
    Drücke auf diese Stelle der Wand! hatte Gesed gesagt. Und ein Teil wird sich umdrehen und einen großen magischen Spiegel zum Vorschein bringen .
    Eroice schrie wie unter tausend Martern. Ihr knöcherner, abgrundtief häßlicher Körper krümmte sich, doch im Spiegel war es der einer überweltlich schönen jungen Frau mit goldenem Lockenhaar und fast noch den Zügen eines Mädchens.
    Tallia! durchfuhr es Mythor.
    Und sie war es. Das magische Spiegelbild zeigte Eroice, wie sie einst gewesen war. Es machte jede ihrer Bewegungen mit, doch wo die Hexe zuckte, flossen die Körperlinien im Spiegel weich. Wo sie das Gesicht zu einer Grimasse verzog, lächelte ein engelgleiches Antlitz.
    »Was hast du getan?« schrie Eroice. Sie stand gegen die Wand gepreßt, zuckte und versuchte, ihre Augen mit den Händen zu bedecken. Sie schaffte es nicht. Die Schönheit, die einst ihre gewesen war, lächelte ihr entgegen. Mythor hob Ilfa auf und legte sie sich über die Schulter. Er wußte noch nicht, was nun geschehen würde. Er wußte nur, daß es für ihn besser war, so schnell wie möglich von hier fort zu sein.
    »Was hast du Elender getan?« schrie die Hexe wieder. »Ich…« Der Rest war unverständlich. Was Worte sein sollten, wurde zu einem häßlichen Gurgeln und Zischen. Eroice stöhnte, heulte und winselte. Ihre Hände zuckten nach hinten, die Finger waren wie die Zähne einer nach vorne gebogenen Gabel. Speichel rann aus den Mundwinkeln. Die vorquellenden Augen schienen aus dem Gesicht zu wachsen, größer zu werden.
    »Was grinst du mich an!« schrie sie ihrem Spiegelbild entgegen. »Du und Ceroc, ihr wollt mich alle vernichten!« Sie duckte sich wie eine Katze zum Sprung.
    Mythor hatte den Ausgang erreicht. Ilfa begann sich auf seiner Schulter zu rühren. Er hielt ihr die Augen zu. Mit einem Fuß zog er sich ihren Köcher heran.
    »Du quälst mich nicht!« kreischte die Hexe. »Dich gibt es nicht mehr! Ich ertrage dich nicht! Du bist tot! Tot!«
    Noch schreiend, warf sie sich gegen den Spiegel. Ihre harten Knöchel schlugen in das Glas. Der Spiegel zersprang in tausend Stücke, doch das sah Eroice nicht mehr. Blind in ihrer Raserei, kratzte und schlug sie in die messerscharfen Scherben, die noch in der steinernen Einfassung steckten, und spießte sich regelrecht daran auf.
    Mythor sah sie sterben. Er hob den Köcher auf und sah zu, daß er aus dem Turm kam. Noch einmal hörte er ein Stöhnen und einen Fluch, den die Hexe ihm mit erstickender Stimme hinterherschrie.
    Dann brach das Chaos aus. Ein Geheul hob an, als stiegen alle in der Burg Begrabenen aus ihren Grüften – oder schlimmer noch: als erwachten alle von Eroice in die Mauern Gebannten noch einmal zu unheimlichem Leben.
    Der Boden begann unter Mythors Füßen zu zittern. Ilfa kam endgültig zu sich und strampelte. Er setzte sie ab und mußte sie mit Gewalt zurückhalten, als sie in panischer Angst vor ihm davonlaufen wollte.
    »Ich bin es doch! Hab keine Angst mehr, Ilfa! Eroice ist tot. Es ist alles vorbei!«
    Das war es nicht, und er wußte es in dem Augenblick, als hinter ihm zwei Gestalten aus den Wänden traten. Anders als bisher aber, nahmen sie den Teil der Wand mit, den sie ausgefüllt hatten. Gelockerte Mauersteine stürzten polternd zu Boden.
    »Das also war Eroices letztes Werk«, flüsterte Mythor entsetzt. »Noch im Tod verfluchte sie uns und die Burg. Noch im Sterben entließ sie die Eingemauerten aus ihrem Bann.«
    »Oh,
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