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Die Trugburg

Die Trugburg

Titel: Die Trugburg
Autoren: Horst Hoffmann
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Doch würde sie verhindern können, daß Ilfa sich selbst den Tod gab?
    Sie war dazu entschlossen, lieber von ihrer eigenen Hand zu sterben, als das ihr zugedachte Schicksal zu erleiden. Eine Zeitlang hatte sie versucht, das Holz der Tür mit den Pfeilspitzen zu zerkratzen. An welcher Stelle sie es auch versuchte, immer war sie nur einen Fingerbreit eingedrungen. Dann war es, als verwandelte sich das Holz in Stahl.
    Magie!
    Magisch war die Tür, magisch waren die Wände, aus denen hundert Augen das Mädchen anzustarren schienen. Manchmal war es gewesen, als kicherte eine Frauenstimme aus den zerstörten Bemalungen. Ilfa war davon überzeugt, daß sie beobachtet wurde. Sie hatte die Mauern angeschrien, bis sie keine Luft mehr bekam. Jetzt lag sie in einem Winkel ihres Gefängnisses und wartete nur noch auf Eroice. Eine Hand war unter dem Hemd verborgen und hielt einen Pfeil. Die Angst vor dem, was auf sie zukam, war kaum so schlimm wie die Sorge um Mythor. Ganz bestimmt war er jetzt im Schloß. Kam Eroice noch nicht, weil sie mit ihm beschäftigt war?
    Als sie die Schritte hörte, war Helmonds Tochter bereit. Ihre Finger umklammerten den Pfeil. Ihr Herz klopfte rasend.
    Aber das waren nicht die Schritte einer Frau. Ilfa stockte der Atem. Sollte Mythor am Ende gesiegt haben und sie nun holen kommen?
    Die Tür schwang nach außen auf, und im Rahmen stand die Mermer-Gestalt.
    »Schau an«, sagte der Unheimliche lallend. Er kicherte. »Du hast dich gelangweilt, mein Täubchen? Mein Schwesterherz hat dich einfach warten lassen?« Er taumelte herein. Eine Weinfahne schlug Ilfa entgegen. Sie spannte alle Muskeln. Er war betrunken! Das konnte ihr Vorteil sein!
    »Aber jetzt ist Ceroc bei dir. Du sollst die erste Jungfrau sein, die Ceroc mit seinem neuen Körper liebt, hihihi. Du willst nicht aufstehen?
    Warte, dann komme ich zu dir.«
    Komm nur!
    Die Tür stand offen.
    Ceroc fiel mehr, als daß er sich herabbückte. Mit einer Hand stützte er sich gegen die Mauer, mit der anderen griff er nach Ilfas Haar.
    Sie stieß zu. Der Pfeil bohrte sich in Cerocs Schulter. Nur dem Umstand, daß er wieder das Gleichgewicht verloren hatte und zur Seite gerutscht war, verdankte er, daß er nicht in sein Herz gedrungen war. Er riß den Mund auf. Ein dünner Schrei entrang sich seiner Kehle. Seine Augen starrten ungläubig auf den Schaft.
    Ilfa sprang auf, bevor er auf sie fallen konnte, und lief zur offenstehenden Tür. Kurz davor machte sie noch einmal kehrt, um den Köcher an sich zu reißen, den sie neben sich abgelegt hatte. Er hätte Eroices Aufmerksamkeit für einen Augenblick von ihr ablenken sollen, doch das war gar nicht mehr nötig gewesen.
    Jedenfalls dachte sie das, bis sie wieder zum Ausgang herumwirbelte.
    Dort stand die Hexe.
    Ilfa begann zu zittern. Etwas zwang sie, ihre Hand zu öffnen und den Köcher fallen zu lassen. Sie war unfähig, den Blick von Eroices Gesicht zu wenden, von den beiden weit hervorquellenden, stechenden Augen, von der Hakennase, von dem breiten Mund mit den schmalen und runzligen Lippen – von diesem ganzen abgrundtief häßlichen Gesicht, das von Warzen und roten Geschwüren überwuchert war.
    Sie wich zurück, bis ihre Schultern gegen die Mauer stießen.
    Eroice machte zwei Schritte in das Verlies hinein. Ihr Blick wanderte über Ilfas Körper, dann zu Ceroc hinüber, dessen Klagen beim Anblick der Schwester verstummt war.
    Die Hexe verzog den Mund zu einem grausamen Lächeln. Ihr fehlten Zähne. Ihr pechschwarzes Haar stand kraus und steif nach allen Seiten ab. Der Hals bestand nur aus Haut und Sehnen. Was darunter noch Schreckliches lag, war hinter einem schwarzen Umhang verborgen, der bis auf den Boden fiel. Aus einer Falte hob sich ein dürrer Arm mit einer Vogelklaue als Hand.
    Einer der Knochenfinger richtete sich bannend auf Ceroc, der seine Schwester in offenkundigem Entsetzen anstarrte und zusammenzuckte, wie unter Peitschenschlägen.
    »So gehst du mit deinem wunderschönen neuen Körper um, teurer Bruder?« krähte die Hexe. »Du wolltest dir nehmen, was mir gehört?«
    »Ich… ich…!« stammelte Ceroc. Er versuchte, an der Wand hochzukommen.
    »Schweig! Ich habe dich gehört, das Gewäsch eines Betrunkenen. Das wolltest du doch, teurer Ceroc?« Sie nickte. Das Lächeln verschwand aus ihren Zügen. »Teuer, ja das bist du mir. Du bist mir so teuer, daß ich dich von nun an stets in meiner Nähe haben will. Ich werde nicht zulassen, daß du weitere Dummheiten anstellst und dabei zu
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