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Die Trüffelgöttinnen (German Edition)

Die Trüffelgöttinnen (German Edition)

Titel: Die Trüffelgöttinnen (German Edition)
Autoren: Lexa Holland
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war, und den perfekten Erfüllungsgehilfen dafür hatte es schon lange, bevor Harry seinen Wunsch überhaupt selbst kannte, mit der vom Schicksal gewohnten Gründlichkeit, Zielstrebigkeit und Unfehlbarkeit ausgewählt.
     
    * * *
     
    Als der Gutsbesitzer mit der kleinen Gruppe zwischen den Rebstöcken verschwunden war, stieg Harry vorsichtig die Leiter hoch. Auf der vorletzten Sprosse angekommen, entdeckte er beim Blick nach unten im Gras die Weinflasche, die er eigentlich mit dem edlen Tropfen aus dem Fass füllen sollte. Egal! Viel wichtiger als alles andere war ihm der ungestörte Blick in das Innere dieses hölzernen Lebewesens, als das das geschichtsträchtige alte Fass ihm erschien, je länger er es betrachtete.
    Er hob, so wie er es bei seinen Vorgängern beobachtet hatte, die bewegliche Hälfte des schweren Deckels etwas an und schob sie dann vorsichtig über die eingebaute Gleitschiene auf die andere Hälfte.
    Der betörende Duft, der ihm aus dem Fass entgegenschlug wie ein endlich aus der Gefangenschaft befreiter Flaschengeist, ließ ihn fast straucheln.
    Und in diesem einzigartigen Moment erkannte Harry Shinder mit einem Mal etwas, das er zuvor immer lauthals als esoterischen Krimskrams für Gehirnamputierte verspottet hatte, obwohl er in Wirklichkeit im tiefsten Dunkel seines Unbewussten sich dessen ebenso gewiss war wie ein Kind der Tatsache, dass es den Osterhasen gab: Auch vermeintlich leblose Gegenstände wie zum Beispiel sein geliebter Jaguar Jacco hatten eine Art Bewusstsein und Persönlichkeit. Dieses Fass hatte auf ihn, Harry Shinder, gewartet! Es war sein Fass, und dies hier war ein schicksalhafter Moment, der ihrer beider Leben, das seine und das des Fasses, für immer verändern würde.
    Er sollte recht behalten.
    Denn genau in dem Moment, als er seinen Fuß auf die letzte Sprosse setzen wollte, zog das Schicksal seinen letzten Trumpf aus der Tasche.
    »Fuck you, Shinder!« konnte er trotz der Entfernung auf dem alten Ford erkennen, der direkt vor dem Tor des Weinguts parkte und an dem lässig ein Mann in Trenchcoat und mit in die Stirn gezogenen Hut lehnte.
    Was genau Harry Shinder in diesem Moment dachte, ließ sich im Nachhinein nicht mehr feststellen, aber der Anblick seines rachedurstigen einstmaligen Talkshowopfers musste ihn jedenfalls derart in Panik versetzt haben, dass er strauchelte und sich zwar noch durch einige hilflos rudernde Armbewegungen zu halten suchte, aber schließlich genau deswegen kopfüber in das große Fass stürzte.
    Und weil seine Arme zu kurz waren, um den Nichtschwimmer am rettenden Rand Halt finden zu lassen, und ihm gleichzeitig die betörenden Aromen von Vanille, dunklen Waldfrüchten und, wie Harry in einem letzten wachen Moment erstaunlich klar und mit angemessener Enttäuschung registrierte, offensichtlich auch ein Hauch unterstützender Chemie die Sinne betäubten, ging sein sehnlichster Wunsch schnell und kampflos in Erfüllung: Der große Weinkenner und Weinliebhaber Harry Shinder ertrank in einem Fass Mouton Rothschild, und das Schicksal hatte sogar großzügig noch ein Sahnehäubchen draufgesetzt, indem es dieses Fass mitten in die legendären Weinberge gestellt hatte.
     
    * * *
     
    May, Melody, Barry und Gladys standen fassungslos und mit offenen Mündern vor dem Monitor, über den gerade die Eilmeldung eines Konkurrenzsenders flimmerte. Der Sprecher versuchte zwar einigermaßen betroffen zu wirken, konnte aber die leichte Andeutung eines schadenfrohen Grinsens nicht unterdrücken, als er in professionell gleichförmigem Tonfall die Meldung verlas.
    »Soeben erreicht uns aus Frankreich die Meldung, dass der Leiter des«, er räusperte sich kurz, »beliebten Fernsehsenders GMY!, Harry Shinder, bei einem äußerst tragischen Unfall ums Leben gekommen ist. Er ertrank in einem französischen Weinberg in einem Fass Rotwein.«
    Martin Hammer hatte sichtlich Mühe, die Fassung zu bewahren und nicht lauthals mit einem gewaltigen Lachen herauszuplatzen. Harry hatte ihn zur Regierungszeit von George W. Bush in einer seiner berüchtigten Talkshows der Lächerlichkeit preisgegeben, als er eine Escortdame in aller Ausführlichkeit über äußerst pikante Details aus ihren regelmäßigen sexuellen Zusammenkünften auf der obersten Plattform der Freiheitsstatue berichten ließ, die stets dadurch gekrönt waren, dass er einen aus dem Sternenbanner genähten Umhang und eine diabolisch grinsende George-W-Bush-Maske trug.
    Ob Bush über dieses patriotische Detail
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