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Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)

Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)
Autoren: Ronald Malfi
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mir schließlich dämmerte, geschah es nicht wie aus heiterem Himmel, sondern tröpfchenweise, bis alle Nischen und Winkel, alle Ausbuchtungen in meinem Geist ausgefüllt waren wie die Lungen eines Ertrinkenden mit schwarzem Wasser.
    David Dentman lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Seine Stirn troff vor Schweiß. Er hob sein Schnapsglas und betrachtete es genau, als enthalte es den letzten Drink, den er zu sich nehmen sollte.
    »Auf Väter«, toastete er.
     
    Als Adam eintraf, saß ich immer noch am Tisch, obwohl Dentman längst gegangen war. Adam trat hinter mich und legte mir eine Hand auf die Schulter.
    Ich fuhr erschrocken in die Höhe, wobei fast der Bourbon vom Tisch auf den Boden kippte, wo sich das Zeug vermutlich durch die Bretter geätzt hätte.
    »Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«, fragte er.
    »Vergiss es.«
    »Alles in Ordnung?«
    »Bestens«, beteuerte ich mit einem Lächeln. »Setz dich und trink einen auf deinen kleinen Bruder, bevor er dich für das sonnige Kalifornien verlässt.«
    Adam setzte sich, nahm die Flasche zur Hand und verzog das Gesicht. »Was ist das für ein Zeug?«
    Ich schob ihm ein leeres Gläschen zu. In der Jukebox begann ein Bruce-Springsteen-Song mit Mundharmonika. »Trink einfach.«
    Wir verbrachten die Nacht in vollkommenem Schweigen, dachten an so viel und mussten doch nichts davon aussprechen.
    Wie Brüder.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

 
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Epilog / Prolog
     
    Wir waren ein Mückenschiss auf der Weltkarte. Könnt ihr uns sehen? Wir krabbelten wie ein Leuchtkäfer auf kartografiertem Gelände und reflektierten das silbrige Sonnenlicht in gleißenden Strahlen, stießen Abluft aus, schlingerten durch Kurven, bewegten uns im Slalom oder über lange Geraden, als seien wir auf Meilen hin das einzige, was zählte. Vielleicht war es auch so. Der kleine Honda brummte unter der Bürde unserer Flucht weiter und lag dabei tief genug, um an manchen Pässen mit dem Fahrwerk aufzusetzen.
    Seht genauer hin, und ihr entdeckt uns – mich mit Sonnenbrille, frisch geschnittenem Haar und glattrasiert hinterm Steuer wie Tom Cruise oder meinethalben auch Tom Sawyer. Neben mir Jodie, die die Anlage mit Tom Petty, Sheryl Crow und Better Than Ezra speiste, dabei glatt, fit und unberührt aussah sowie sauber nach Seife duftete. Die Tage waren lang und sonnig, die Himmel nicht von einer Wolke getrübt. Nachts wurde es hingegen angenehm frisch. Die Landschaft, die sich uns offenbarte, wirkte neu und gleichsam unberührt; alles – ja, wirklich alles – kam uns so vor.
    Gelegentlich schaute ich in den Rückspiegel, während mein Gehirn immer noch am letzten Bild der Familie meines Bruders festhielt, die uns beim Verlassen der Sackgasse hinterhergeschaut hatte. Wir hatten zum Lebewohl gewunken, um Westlake auf ewig den Rücken zu kehren, mit offenem wie gebrochenem Herzen, aber dennoch voller Hoffnungen und Erwartungen mit Bezug zu allem, was auf uns zukommen mochte – und umarmt hatten wir uns. Bleib sauber, kleiner Bruder. Jetzt steuerten wir ein fremdes County in einem fremden Bundesstaat an, und die ländliche Idylle von Westlake war nichts weiter als ein vergänglicher Traumschatten. Einmal glaubte ich, sie alle noch einmal in dem kleinen Rechteck aus Spiegelglas winken zu sehen.
    Wir machten an Raststätten in vergessenen Ortschaften und sonstigen unwirklichen Gefilden Halt, um fettige Hamburger zu essen, die dick wie Bibeln waren, und so verbissen Milchshakes zu schlürfen wie Erzrivalen bei einem Trinkwettbewerb.
    Die erste Nacht verbrachten wir in einem kleinen Stundenhotel direkt am Highway. Die Sterne am Himmel leuchteten zu Millionen, weshalb wir eine Zeit lang einfach nur auf dem Parkplatz verharrten und nach oben starrten. In einer nach Schimmel riechenden Nasszelle duschten wir gemeinsam, ehe wir in einem fremden Bett Liebe machten, und sobald Jodie eingeschlafen war, schlich ich wieder nach draußen, um mich einmal mehr am Anblick des Firmaments zu weiden.
    Falls ihr gern der Annahme aufsitzt, zu wissen, wie die Dinge stehen, oder zumindest glaubt, dass ihr es tut, und damit zufrieden seid, so schließt die Augen. Lebt so weiter und haltet sie geschlossen.
     
    In einer anderen Nacht in einem gottverlassenen Teil des Landes wachte ich auf, da ein Schrei in meinem Hals steckengeblieben
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