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Die Traumprinzessin: Royal House of Shadows (German Edition)

Die Traumprinzessin: Royal House of Shadows (German Edition)

Titel: Die Traumprinzessin: Royal House of Shadows (German Edition)
Autoren: Jill Monroe
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seines Speers. Er hatte unzählige Stunden damit verbracht, die Rinde abzuschälen und das grobe Holz abzuschmirgeln, bis es gut in seiner Hand lag. Seine Beine bebten vor Vorfreude, während er am Lagerfeuer saß und dabei zusah, wie die Holzscheite sich orange färbten und der Rauch zu den Sternen hinaufstieg.
    Es sollte seine letzte Nacht als Kind werden.
    Morgen würde er dem Pfad folgen, den sein Vater und dessen Vater und Generationen seiner Vorväter beschritten hatten, seit dem Anfang aller Anfänge. Morgen wollte er sich der letzten Herausforderung stellen. Morgen wurde er zum Mann, oder er starb.
    „Du musst schlafen“, sagte sein Vater.
    Osborn blickte zu ihm auf. Selbst im trüben Licht des Feuers konnte er die Falten um die Augen seines Vaters erkennen. Morgen würde er sich ihm entweder als Krieger anschließen, oder sein Vater musste einen weiteren Sohn begraben.
    „Ich bin nicht müde“, gestand Osborn.
    Sein Vater nickte und setzte sich zu ihm auf den Boden. Das Feuer wärmte die kühle Nachtluft. „Das warich in jener Nacht auch nicht.“
    Osborn kniff die Augen zusammen. Auch wenn er schon ein Dutzend Mal nach der Bärenjagd seines Vaters gefragt hatte, er hatte darauf nur knappe Antworten bekommen. Die Aufgabe eines Vaters war es, seinen Sohn auf den Kampf vorzubereiten, aber was einen erwartete, was man fühlen würde … diesen Kampf musste jeder Junge alleine austragen. Nach seinen eigenen Regeln. Er prägte den Krieger, der er einmal werden würde.
    Wenn er es überlebte.
    Am Morgen erwachte Osborn dadurch, dass jemand an seiner Schulter rüttelte. Irgendwie war er doch in tiefen Schlaf gefallen. „Es wird Zeit.“
    Das Feuer war verloschen, und er unterdrückte den Impuls, das Fell fester um seine Schultern zu ziehen. Dann erinnerte er sich.
    Es war so weit. Jetzt.
    Ein Lächeln legte sich auf das Gesicht seines Vaters, als er sah, wie hastig Osborn sich bewegte. Wie der Blitz hatte er sich angezogen, seine Bettrolle zusammengebunden und seinen Speer in der Hand.
    „Die Zeit ist gekommen“, verkündete sein Vater und wiederholte damit die Worte, die man auch zu ihm gesagt hatte.
    Sie standen sich jetzt auf Augenhöhe gegenüber, und Osborn würde noch weiter wachsen. Später, am Abend, würde er als Mann zurückkehren und seinen Platz bei den Kriegern einnehmen.
    Sein Vater nickte. „Ich werde dir jetzt sagen, was mein Vater mir gesagt hat und wohl auch sein Vater zu ihm und die Väter vor ihm. Was du jetzt tun musst, tust du allein. Lass deinen Bierschlauch hier, nimm keinen Proviant mit. Trag nichts bei dir als deine Waffe. Sei mutig, aber vor allem sei ehrenhaft.“
    „Woher weißt du, wann es vorbei ist?“, fragte Osborn.
    „Ich werde es einfach wissen. Jetzt geh.“
    Osborn drehte sich um und suchte schweigend seinen Weg durch das Unterholz, wie sein Vater es ihn vor vielen Jahren gelehrt hatte. Eine seiner vielen Lektionen. Letzte Nacht hatten sie an der Grenze zum heiligen Bärenland geschlafen. Jetzt war es an der Zeit, die Grenze zu übertreten.
    Mit einem tiefen Atemzug betrat er das heilige Land und genoss den unerwarteten Schwall der Macht, die sich in seinem Körper ausbreitete. Sie schwoll in seiner Brust an und wuchs dann bis in seine Gliedmaßen und seine Finger. Mit dieser neuen Kraft packte Osborn seinen Speer und fing an zu rennen. Schneller als je zuvor folgte er diesem Sog der Macht und vertraute seinen Instinkten.
    Zeit verlor alle Bedeutung. Er wurde nicht müde, nicht einmal, als die Sonne am Himmel höher stieg. Sein Blickfeld verengte sich, und der schwere Duft nach Moschus hing in der Luft. Bärenmoschus.
    Die Zeit war gekommen.
    Jeder Muskel, jeder seiner Sinne spannte sich an. Instinktiv wendete er den Kopf, und er sah ihn.
    Der Bär war ein Riese. Er ragte mehr als zwei Fußspannen höher auf als Osborn, seine wilden Klauen waren geschwungen, sein dunkelbraunes Fell spannte sich straff über festen Muskeln. Osborn sah der schrecklichen Kreatur in die Augen. Wieder durchfuhr ihn etwas Mächtiges, und seine Muskeln verkrampften sich. Sein Körper erstarrte.
    Der Bär knurrte, ein donnerndes Geräusch, das die Erde unter seinen Füßen zum Beben brachte. Osborn fühlte, wie er die Augen aufriss, aber er konnte sich immer noch nicht bewegen.
    Die Zeit war gekommen.
    Osborn zwang sich, die Finger zu bewegen und entspannte seinen Arm. Und dann, in einem schwungvollen Bogen, den er Hunderte Male mit seinem Vater geübt hatte, warf er den Speer. Die scharfe
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