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Die Trantüten von Panem

Die Trantüten von Panem

Titel: Die Trantüten von Panem
Autoren: The Harvard Lampoon
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Telefon abgebildet, denn jeder Distrikt hat sich auf einen Industriezweig spezialisiert, und Distrikt 12 ist der Telemarketing-Distrikt. Früher haben sich alle Distrikte zusammengetan und gemeinsam gegen das Kapital rebelliert. Das Kapital ist natürlich die Hauptstadt Panems, wo die Reichen und Mächtigen wohnen. Leider klappte es aber nicht so recht mit dem Aufstand. Wenn man ehrlich ist, hat er überhaupt nicht funktioniert. Der Schuss ging eher nach hinten los. Wie schlimm es war? Tja, vorher gab es zweihundert Distrikte, jetzt nur noch zwölf. Lektion gelernt.
    Damit auch ja keiner vergisst, dass die Rebellion scheiterte und das Kapital gewonnen hat, jetzt die alleinige Macht in Händen hält, über die Produktionsmittel verfügt und bla, bla, Mehrwert, Mehrwert, Rhabarber, Rhabarber, müssen alle zwölf Distrikte jedes Jahr an den Hungerspielen teilnehmen. Jeder Distrikt wählt dafür zwei Kinder – einen Jungen und ein Mädchen –, die ihn bei den Spielen vertreten. Diese Kinder werden Tribute genannt. 1
    1 Nicht zu verwechseln mit einem Tribun. Ein Tribun bezeichnet einen politischen oder militärischen Amtsträger im alten Rom, während ein Tribut einfach nur eine arme Sau ist.
    Die Hungerspiele sind kein Vergnügen. Tatsache ist: Sie sind grässlich. Da es zwölf Distrikte gibt und jeder mit zwei Tributen vertreten ist, gibt es mindestens … mindestens zwanzig Tribute. Die werden alle in einer Arena irgendwo in der Wildnis abgesetzt und müssen sich gegenseitig töten, bis nur noch einer übrig ist. Das Ganze wird immer live im Fernsehen übertragen. Die meisten Leute nehmen es auf Festplattenrekorder auf, damit sie zu den spannendsten Szenen vorspulen können.
    Als die Hungerspiele anfangs ins Leben gerufen wurden, war es noch nicht so schlimm. Das Kapital trommelte die Tribute zusammen, und man konnte im Fernsehen sehen, wie sie lustig gegeneinander Softball spielten, einen Staffellauf machten, einen Hindernisparcours absolvierten und schließlich die gegnerischen Flaggen erobern mussten. Das große Hot-Dog-Wettessen stellte stets den Höhepunkt der Spiele dar. Deshalb aßen die Tribute einige Tage vorher nichts mehr, weswegen die Spiele auch Hungerspiele heißen.
    Nach wenigen Jahren wurden die Tribute jedoch so ehrgeizig, dass die Spiele zunehmend brutaler wurden. Hier ein Schlag ins Gesicht, dort ein Tritt in die Leistengegend, und schon herrschte Krieg. Und anstatt diesem Wahnsinn Einhalt zu gebieten, förderte das Kapital ihn noch. Die Einschaltquoten schnellten natürlich in die Höhe. Also änderten sie die Regeln. Statt Spiele, die Spaß machten und bei denen es ein Wettessen gab, wurden die Hungerspiele zu einem Kampf auf Leben und Tod. Man darf zwar noch immer die andere Flagge erobern, aber niemand hat mehr große Lust dazu.
    Am Erntedankfest wählt jeder Distrikt seine Tribute aus, und sämtliche Einwohner versammeln sich auf dem Marktplatz. 2 Zu einer festgelegten Uhrzeit müssen die Kinder das Nasenspiel spielen. Diejenigen, die sich zuletzt an ihre eigene Nase fassen, werden Tribute. Das wird natürlich auch alles im Fernsehen übertragen, und viele Menschen nehmen auch dieses Spektakel auf ihren Festplattenrekordern auf. Diesmal aber nicht, weil sie sich die spannendsten Szenen noch einmal in Ruhe anschauen wollen, sondern weil auf einem anderen Kanal Grey’s Anatomy wiederholt wird.
    2 Früher wurde am Erntedankfest das Einbringen der Feldfrüchte gefeiert. Da inzwischen sowieso so gut wie nichts mehr wächst, beschloss das Kapital, diesen höchst absonderlichen Brauch durch die schöne Tradition zu ersetzen, an diesem Tag die für einen entsetzlichen Tod in der Arena vorgesehenen Teenager auszulosen.
    Deshalb herrscht heute diese Stille. Heute ist in ganz Panem Feiertag. Wegen des Erntedankfests muss – nein, darf niemand arbeiten. Teilnahme ist Pflicht. Jeder, der sich von den Festivitäten fernhält, riskiert von den Friedensengeln zu Brei geschlagen zu werden. 3
    3 Friedensengel mag sich vielleicht nett anhören, doch in Wirklichkeit sind sie eine Bande pöbelnder Turnbeutelvergesser, die ihre Komplexe wegen ihrer hässlichen weißen Uniformen durch passiv-aggressives Verhalten kompensieren.
    All das geht mir durch den Kopf, während ich in Richtung Wald gehe, um Carola zu treffen. Ich bin schon beinahe an unserem Treffpunkt angelangt, als ich plötzlich das Rascheln eines Blattes ganz in der Nähe höre.
    »Du bist!«, ruft eine Stimme. Ich drehe den Kopf herum, als ein Pfeil
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