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Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich

Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich

Titel: Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich
Autoren: Jonathan Wylie
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nicht die Absicht, in durchweichten Kleidern zu schlafen. Obwohl sie das Zelt mit Steinen und Sand beschwerte, war es nicht besonders stabil, und ein starker Wind - ganz zu schweigen von den Sandstürmen, die dem Regen oft vorausgingen - würde es bestimmt zerstören.
    Mit Hilfe der Meyrkats grub Gemma ein flaches Loch, das sie in der Hoffnung mit Stoff auslegte, über Nacht den Regen aufzufangen. Ox, der Anführer des Clans, zeigte ihr zudem, wo sich das Regenwasser auf den glatten Felsen in Pfützen sammelte. Die Meyrkats arbeiteten hart, reinigten sie von Sand und Gesteinsbrocken, wenn sie auch Gemmas Sorge um das Wasser - für sie das >klare Rauschen< - unnötig fanden. Sie hatten so lange ohne Wasser leben müssen, dass sie eine völlig andere Einstellung dazu gewonnen hatten. Schließlich war auch Gemma überzeugt, dass Wasser kein Problem werden würde. Als letzten Ausweg konnte sie die wasserhaltigen, knolligen Wurzeln der allgegenwärtigen Dornenbüsche kauen.
    Die fehlende Nahrung bereitete ihr viel größere Sorgen. Die faserigen Wurzeln lieferten ein paar Nährstoffe, aber nicht annähernd genug für die vieltägige Wanderung, die vor ihr lag. Die Meyrkats hatten eine Schlange für sie getötet, doch sie besaß kein Messer für die Zubereitung des Fleisches und hatte keine Möglichkeit, ein Feuer zu entzünden, um sie zu braten. Trotz ihres Hungers war Gemma alles andere als bereit, eine Schlange als Nahrung zu akzeptieren. Den ganzen Tag lang überreichten ihr die Meyrkats mehrere Alternativen: Maden, Käfer, einen dicken Tausendfüßler, einen Skorpion - doch zu ihrer großen Enttäuschung fand Gemma keinen dieser Leckerbissen sonderlich appetitanregend.
    Im allergrößten Notfall könnte ich sie vielleicht essen, dachte sie, während sie die Mitbringsel betrachtete und ihr übel wurde, aber was ich wirklich brauche, ist Feuer.
    Sie bat die Meyrkats, ihr bei der Suche nach Feuersteinen zu helfen. Doch schon bald wurde deutlich, dass keiner der nahen Felsen auch nur annähernd geeignet war, einen Funken zu erzeugen.
    Ich könnte doch ein Stück vom schaukelnden Stein absplittern, meinte Gemma zum Spaß und war schockiert, als ihre Gefährten sie beim Wort nahmen.
    Der Gott-Himmel-Feuer-Stein ist eins, rief Od aufgeregt. Er darf nicht angebrochen werden.
    Das ist nicht erlaubt. Ich wäre sehr böse, fügte Ox hinzu, und Gemma dachte mit Schaudern an den Zorn des Steins.
    Es war doch nur Spaß! erklärte sie schnell. Ich habe es nicht so gemeint.
    Ein paar Augenblicke herrschte verwirrt Gedankenstille.
    Ein Spaß? fragte Od, dessen Unsicherheit überdeutlich war. Ein Spaß, was ist das?
    Mehrere der Meyrkats in der Nähe blieben stehen, um der Unterhaltung zu lauschen, und Gemma spürte eine Woge von Hilflosigkeit. Ein Scherz, das war etwas, über das man lachte, und die Meyrkats wussten doch bestimmt, was Lachen hieß. Sie dachte an ihre früheren Spiele mit dem Clan, als sie Arden ihre Verbindung mit ihnen demonstriert hatte, und kam zu dem Ergebnis, die glückliche geistige und verbale Atmosphäre damals war das, was bei ihnen dem Lachen gleichkam.
    Ein Spaß ist eine Geschichte setzte sie an, die jemand erzählt, damit andere sich darüber freuen und glücklich sind.
    Die Meyrkats dachten darüber nach.
    Aber sie ist nicht wahr ? fragte Ox nach einer Weile.
    Nicht unbedingt, erwiderte Gemma, als sie ihre Bestürzung spürte. Aber wenn, dann wissen das alle.
    Und woher? fragte Od nachdenklich.
    Die Gründe rasten Gemma durch den Kopf, doch schon kurz darauf ergaben sie keinen Sinn mehr, nicht einmal für sie selbst. Sie gab sich alle Mühe, es zu erklären: ein Scherz konnte die Art und Weise sein, wie man etwas sagte, wann, wo und zum wem man etwas sagte, der Umstand, dass es ganz offensichtlich absurd war oder nur andersherum Sinn machte. Am Ende jedoch musste sie es aufgeben - man verstand ihre Erläuterungen nicht.
    Hier bin ich, gestrandet mitten in der Wüste, und unterhalte mich mit einem Stamm von kleinen Pelztieren über die Philosophie des Humors, dachte sie bei sich. Die Meyrkats spürten ihre Amüsiertheit, doch klugerweise verzichtete sie darauf, sie ihnen zu erklären. Der Clan hatte ein paar neue Erkenntnisse gewonnen, trotzdem verwirrten sie diese neuen Gesichtspunkte des menschlichen Lebens. Untereinander einigten sie sich darauf, einen Spaß als >Nette-Lüge-Alle-Kennen< zu bezeichnen, und behielten damit ihre Gewohnheit bei, Dingen, die sie nicht verstanden, lange Namen zu geben.
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