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Die träumende Welt 01 - Der Traumstein

Die träumende Welt 01 - Der Traumstein

Titel: Die träumende Welt 01 - Der Traumstein
Autoren: Jonathan Wylie
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konnte. Den Stein anzustarren lieferte keine unmittelbare Erklärung. Er stand regungslos und schwieg, gab seine Geheimnisse nicht preis. Doch dann bewegte sich etwas auf der ausdruckslosen Oberfläche - winzige kleine Lichter tanzten wie gespenstische Flammen über die Ritzen und Kanten. Sie nahmen rasch an Größe und Helligkeit zu, und zur Überraschung der verblüfften Beobachterin wurde es plötzlich kalt - trotz der Wüstensonne. Sie trat einen Schritt nach hinten, wich instinktiv vor der unbekannten Energie zurück, doch als sie auf dem unebenen Gelände ins Stolpern geriet, gaben ihre geschwächten Beine unter ihr nach. Sie stürzte und konnte nur hilflos mit ansehen, wie das blaue Feuer den Monolithen mit einem pulsierenden Schild umgab. Dann, wie als Antwort auf eine Kraft aus dem Erdinnern, begann der Stein sich zu bewegen.
    Als er, die Sonne verdunkelnd, auf sie zustürzte, wich alle Neugier und alle Angst von ihr, und sie versank in tiefster Nacht.
    Ein Schmerz drang zögernd in ihre Dunkelheit vor. Sie schreckte davor zurück, aus Angst vor dem Leben, das sich dahinter verbarg. Ihre aufgeplatzten Lippen öffneten sich leicht, und kaltes, dünnes Blut rann in ihre Kehle. Sie hustete, japste nach Luft und erzitterte am ganzen Körper unter einer neuen Welle von Schmerz. Ihr Bewusstsein kehrte zurück - leider.
    »Nein«, röchelte sie und klammerte sich an die schwindende Leere, in der es keine Schmerzen gab.
    »Trink schon, dumme Kuh.«
    Die Worte klangen schroff und hallten in ihrem Kopf wieder, ohne einen Sinn zu ergeben. Die Flüssigkeit füllte ihren Mund, sie schluckte widerwillig und zuckte zusammen, als ihre ausgetrocknete Kehle die Flüssigkeit aufnahm. Das war kein Blut. Das war Wasser.
    Sie hatte Mühe, die Augen zu öffnen. Sie hatte keine Erwartungen, war aber mittlerweile neugierig geworden. Ein Auge blieb fest geschlossen, die Wimpern waren mit Sand und Salz verklebt. Mit dem anderen erblickte sie ineinandergelaufene Farben, ohne Bedeutung, unscharf. Langsam klärte sich das Bild ein wenig. Tiefgrüne Augen starrten aufmerksam auf sie herab.
    »Na also. Ich wusste doch, dass du meinem Charme nicht allzu lange widerstehen kannst.« Seine Stimme klang belustigt. Weiße Zähne blitzten sie an.
    »Cai?« fragte sie. In ihrer Verwirrtheit hatte sie den erstbesten Namen aus ihrem Gedächtnis geklaubt.
    »Was? Na, schon gut«, erwiderte der Fremde. »Versuch nicht zu sprechen.« Der Becher wurde ihr erneut hingehalten, und sie trank. »Das reicht. Leg dich wieder hin.«
    Die Hand, die von ihr unbemerkt den Kopf gehalten hatte, legte ihn langsam wieder auf dem Boden ab. Sie schloss das Auge, in ihrem Innern kämpften Übelkeit und Mattheit miteinander. Rauhe und doch sanfte Hände strichen über ihr Gesicht und ihre Arme und rieben die entzündete, schuppige Haut mit einer kühlen, eigenartig duftenden Creme ein. Sie merkte, dass sie wieder in die Dunkelheit zurücksank, doch diesmal war es die sanfte Umarmung des Schlafes.
    Zu ihrer eigenen Überraschung freute sie sich auf das Erwachen.
    Blau-grüne Schuppen glänzten in der Nachmittagssonne. Der Kopf der Schlange war größer als ihr eigener. Er besaß vier rote Augen, doch nur zwei von ihnen beobachteten sie. Sie fand das seltsam beruhigend. Die Schlange öffnete das Maul, und eine schwarze Schlangenzunge zuckte hervor und kitzelte ihr Gesicht. Sie kicherte und beobachtete fasziniert, wie mehrere Spinnen aus dem Schlangenmaul hervorgekrochen kamen, gefolgt von Flammen tief aus dem Innern. Sie hatte keine Angst.
    »Dieser süße Duft«, flüsterte sie, sich erinnernd.
    Die Schlange wirkte plötzlich leblos. Alle vier Augen waren jetzt auf sie gerichtet.
    »Es wird nicht lange dauern«, sagte eine geheimnisvolle Stimme. »Keine Sorge.«
    Sie lächelte, getröstet vom Gefühl, ein neues Gesicht zu haben, und ein weiteres Mal übermannte sie der Schlaf.
    Als sie das nächstemal aufwachte, befand sich der Stein wieder an seinem alten Platz, und die Sonne stand tief am Himmel. Sie versuchte, sich auf die Ellenbogen zu stützen, dabei wurde ihr so schwindlig, dass sie sich wieder hinlegen musste. Als ihr bewusst wurde, dass ihr Kopf auf einem weichen Kissen ruhte, erschien das Gesicht eines Mannes in ihrem Gesichtsfeld, und zum erstenmal bekam sie ihren Retter richtig zu Gesicht. Sonnengebleichtes Haar umgab ein dunkles, kantiges Gesicht, grüne Augen sahen sie an.
    »Bist du die Schlange?« fragte sie und zuckte zusammen, als sie hörte, wie schrill
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