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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition)
Autoren: Tereza Vanek
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sie. So sehr sie sich bemühte, sie konnte in ihm
nicht einfach eine Verkörperung des göttlichen Jarilo sehen. Und sie wollte
jetzt nicht nur Morana sein, auch wenn sie immer noch die Gegenwart der Göttin
fühlte. Der Rausch hatte nachgelassen, aber ihre Furcht kam nicht zurück. Der
Junge flößte ihr Vertrauen ein. Bereitwillig ließ sie sich neben ihm auf der
feucht duftenden Erde nieder. 
    „Ganz gleich,
was wir jetzt tun, Mädchen ohne Namen“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Du sollst
zunächst wissen, wer ich bin. Premysl aus dem Dorf Staditz. Es liegt am Fluss
Belina, im Gebiet des Lemuzi-Stammes. Ich wohne dort mit meiner Mutter und
Schwester.“
    Sie nickte und
schlang ihre Arme um ihn. Er folgte der Ermunterung zaghaft, als habe ihn auf
einmal der Mut verlassen. „Ich weiß, dass Männer manchmal zu grob sein können“,
murmelte er, ohne sie dabei anzusehen.
    Libussa
verstand nicht, warum er so redete. Kazi gefielen diese Feste nicht. Doch fast
alle anderen Fürstentöchter, die sie kannte, liebten Kupala. Nun, da sie sich
an den warmen Körper dieses Fremden presste, stieg Sehnsucht nach noch größerer
Nähe in ihr auf.
    „Wenn ich etwas
tue, das dir zuwider ist, dann musst du es sagen. Versprich es mir“, kam es wieder
von dem Bauernjungen, diesmal mit mehr Entschlossenheit. Libussa lachte auf.
    „Das verspreche
ich. Und ich kratze dir die Augen aus, wenn du dann nicht aufhörst.“
    Diese Worte
schienen ihn zu beruhigen, denn er löste den Gürtel an ihrem Gewand, aus dem
sie sich sogleich selbst befreite. Allmählich ergriff ein anderer Rausch von
ihr Besitz, ein Sehnen in ihrem Unterleib, das immer stärker wurde, je länger
sie die schwieligen Hände auf ihrer Haut spürte. Dafür also, dachte sie, hat
mir die Göttin den Körper einer Frau geschenkt.
     
    Am nächsten Morgen erwachte
Libussa neben dem Jungen, im Schutz des Waldes sicher und geborgen, aber sie
wusste, sie würde dieses Reich der Geister bald verlassen müssen. Ihre Mutter,
Kazi und Thetka suchten vermutlich schon nach ihr. Sie schlüpfte rasch in ihr
Kleid. Premysl schlief noch. Sie küsste ihn zaghaft auf die Wange. Es war
besser so gewesen als mit einem Fremden inmitten aller anderen Paare, auch wenn
sie dadurch ein wenig gegen das Ritual verstoßen hatte. Der Junge hatte nicht
einfach Scharkas jüngste Tochter in ihr gesehen, deren Verführung seinen Ruhm
vergrößern sollte, sondern ein unbekanntes junges Mädchen.
    Aber es war
vorbei. Von einer unerklärlichen Angst erfüllt lief Libussa fort und hoffte,
dieser Premysl aus Staditz würde sie bald vergessen, denn er war nicht Teil
ihrer Welt.
    Sobald sie den
Wald verlassen hatte, tauchte der Ort des Festes vor ihr auf. Schlafende,
erschöpfte Körper lagen wie nachlässig hingeworfen um die erloschenen
Feuerstellen. Libussa schritt über sie hinweg, denn sie hatte bereits die
gesattelten Pferde der Tschechen-Fürstin gesehen. Ihre Mutter verfügte über
unerschöpfliche Energie, der eine Nacht im Taumel des Rausches nichts anhaben
konnte. Auch Thetka saß bereits auf ihrem Pferd, und Kazi kletterte gerade
hoch. Libussa eilte hinzu, strich über den Kopf ihrer Stute Steka und schwang
sich in den Sattel.
    „Wo bist du
denn so lange gewesen, Kind?“, hörte sie die vorwurfsvolle Stimme ihrer Mutter.
Sie gab eine ausweichende Antwort und war froh, dass Scharka von den Tschechen
das Zeichen zum Aufbruch gab, anstatt sie weiter auszufragen.
    Während sie mit
dem Gefolge Wälder und Wiesen durchquerte, schien das Geschehene bereits
unwirklich zu werden. Dieser Junge war vielleicht kein echter Mensch gewesen,
sondern ein Geist des Waldes, der menschliche Gestalt angenommen hatte. Der
Gedanke beruhigte sie, denn die Erinnerung an diese körperliche Nähe zu einem
fremden Bauernjungen war ihr auf einmal unangenehm. Besser, alles schnell zu
vergessen. Sie flüchtete vor Thetkas neugierigen Fragen, indem sie Steka neben
Kazis Pferd laufen ließ. Die älteste Schwester schwieg wie gewöhnlich, denn sie
war nach dem Kupala-Fest stets schlechter Laune. Thetka schäkerte mit einigen
Kriegern aus dem Gefolge, so dass sich Libussa erleichtert in ihre Gedanken
versenken konnte. Sie wollte sich innerlich auf die Zeremonie vorbereiten, bei
der sie vor allen Angehörigen des Stammes zur Frau erklärt werden sollte, sich
von der Erinnerung an die letzte Nacht befreien, auch wenn sie ahnte, dass sie
diesen Jungen nicht so schnell vergessen würde. Zunächst merkte sie nicht, dass
das
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