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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition)
Autoren: Tereza Vanek
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weist
zudem auf einen Widerspruch hin: der Herrschaft Libussas und dem anschließenden
Aufstand der Frauen geht das Patriarchat unter Krok voraus, der in der Sage
Libussas Vater ist. Ich habe die Geschichte daher entsprechend der Matriarchatsforschung
abgeändert. In solchen Gesellschaften gibt es meist ein männliches und ein
weibliches Oberhaupt, die jeweils unterschiedliche Aufgaben haben. Aus Krok
wurde Libussas Onkel, und ich ließ ihn auch noch etwas länger leben.
    Es mag
unglaubwürdig scheinen, im Frühmittelalter ein Matriarchat anzusiedeln. Die
Slawen gerieten allerdings anders als germanische Völker nicht unter römischen
Einfluss, der meist mit den letzten Resten matriarchaler Tradition aufräumte.
Cosmas schreibt, Frauen hätten zu Libussas Zeiten selbst zu den Waffen
gegriffen und das Recht auf freie Partnerwahl gehabt. Islamische Händler
schildern slawische Völker als egalitär und anarchistisch, was natürlich eine
Fremdperspektive ist. Eine gewisse Ordnung und Hierarchie existiert in jeder
Gesellschaft. Doch deckt sich diese Schilderung mit den Kriterien, die Heide
Göttner-Abendroth, Deutschlands bekannteste Matriarchatsforscherin, für solche
Gesellschaftsformen aufstellt.
    In den älteren
Versionen der Sage ist Libussa Gründerin der Stadt Prag, später gilt sie nur
noch als Seherin, die die Größe dieser Stadt voraussah. Offiziell wurde Prag
von Fürst Borivoj in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts gegründet, doch war
die Gegend vorher bereits besiedelt. Ich lasse die Geschichte am Ende des 8.
Jahrhunderts spielen, denn eine frühere Stadtgründung mit Burgwall etc. wäre
historisch unglaubwürdig. Das älteste befestigte Areal, das auf der Kleinseite
gefunden wurde, wird in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts zurückdatiert.
    Heidnische
Völker gerieten damals durch die aggressive Machtpolitik Karls des Großen
endgültig in Bedrängnis. Historiker sprechen zudem von einer „feudalen
Revolution“, die sich im Laufe dieses Jahrhunderts bei den Slawen abgespielt
haben muss. Die egalitäre Gesellschaft wurde zunehmend von Herrschern
dominiert, denen das Wohl der einfachen Leute gleichgültig war. Doch niemand
kann erklären, woher diese Herrscher plötzlich kamen. Ich habe versucht, zu
schildern, wie diese Entwicklung sich abgespielt haben könnte.
               
Die Namen Neklan und Tyr stammen aus einer anderen tschechischen Sage. Ich habe
sie nur entliehen und will damit nicht auf diese mythischen Gestalten
anspielen.
    „Behaimen“ war
die damalige Bezeichnung für die Bewohner des heutigen Tschechien. Die Tschechen
haben sich selbst nie Böhmen genannt, doch da sie damals angeblich ein Stamm
von vielen waren, brauchte ich einen Namen für das ganze Volk und habe daher
diesen gewählt.
    Von den
vorchristlichen Kulten in Böhmen ist eigentlich nichts bekannt Meine Schilderung
der damaligen Religion beruht auf Rekonstruktionsversuchen von Vjačeslav V. Ivanov und Vladimir N. Toporov sowie von Radoslav Katicic
und Vitomir Belaj, die sich auf andere vorchristliche Religionen und
volkstümliche Bräuche der Slawen berufen. Sie erwähnen alle eine weibliche
Sonnengottheit, der ich den Namen Mokosch gab, da dies eine der wenigen
slawischen Göttinnen war, auf die ich gestoßen bin. Mokosch ist eigentlich als
feuchte Mutter Erde, Göttin der Weiblichkeit, bekannt. Ich habe hier beides
miteinander verbunden..
    Die Teilnahme
der Behaimen am Sachsenkrieg habe ich natürlich erfunden, doch mischten einige
slawische Völker in diesen kämpferischen Auseinandersetzungen mit, die sich
über viele Jahre hinzogen. Lidomirs Geiselnahme ist ebenso wenig historisch
belegt und stammt auch nicht aus der Sage. Karl der Große pflegte aber bei
unterworfenen heidnischen Völkern Fürstenkinder als Geiseln zu nehmen und in
Klöstern aufwachsen zu lassen, damit sie christianisiert wurden.
    Und noch eine
Anmerkung zu den Örtlichkeiten: man hat die Überreste von ca. fünf Siedlungen
mit Burgwall im Prager Raum gefunden, die vage ins 8. Jahrhundert datiert
werden. Welche davon vor Prag der Hauptwohnsitz des Stammes war, ist
umstritten. Ich bin daher der neueren Version der Sage gefolgt, die Libussa im
heutigen Vysehrad aufwachsen lässt. Laut Cosmas lautete der alte Name der
Festung Chrasten. Doch ist eine Besiedelung dieses Ortes zur damaligen Zeit
archäologisch nicht nachweisbar. Der „Berg der Göttin“ mit der Quelle soll das
heutige Libuschin sein. Dort wurden heidnische Kultgegenstände
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