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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition)
Autoren: Tereza Vanek
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kräftige, große Pferd ihrer Mutter sich zu ihrer Stute Steka gesellte.
    „Slavonik war
verärgert“, riss Scharka von den Tschechen sie dann plötzlich aus ihren
Überlegungen.
    „Was kümmert
mich Slavonik?“ Libussa fühlte Ärger in sich aufsteigen.
    „Er gehört dem
fürstlichen Clan eines mächtigen Stammes an. Wir brauchen die Loyalität der
Kroaten.“
    „Ich dachte,
Onkel Krok hätte für Frieden gesorgt.“
    „Kein Frieden
dauert ewig, Libussa. Es kommen immer wieder neue Feinde.“
    Libussa fühlte
sich, als hätte man ihr die Haut abgezogen. Jeder Windhauch schmerzte sie. Die
Erfahrung der vergangenen Nacht war zu innig, zu zärtlich gewesen, um auf die
Ebene der Verhandlungen zwischen fürstlichen Clans herabgewürdigt zu werden.
    „Hätte ich es
mit Slavonik treiben sollen, damit er unser Verbündeter wird? Ist es nicht ein
heiliges Ritual, im Namen der Göttin? Und du verlangst, dass ich es für deine
persönlichen Ziele missbrauche! Du redest wie die Christen, die ihre Töchter
als Pfand geben.“
    Nun traf sie
der Blick ihrer Mutter wie ein Faustschlag. „Sei froh, dass wir nicht wie die
Christen sind. Dann würden wir dich mit Slavonik verheiraten, und du wärest ihm
untertan bis einer von euch stirbt. Aber hier ging es nur um eine einzige
Nacht, Libussa. Er ist ein gut aussehender junger Kerl. Was wäre so schlimm
daran gewesen?“
    „Ich kann ihn
nicht leiden“, murrte Libussa und fand plötzlich selbst, dass sie sich wie ein
bockiges Kind anhörte. Deshalb setzte sie zu einer Begründung an: „Er ist so sehr
von sich eingenommen. Jedesmal, wenn eine Frau ihn als Gefährten wählt, wissen
sofort alle seine Freunde davon. Das ist für ihn wie ein Wettkampf unter
Kriegern, den er gewonnen hat.“
    Ihre Mutter
zuckte mit den Schultern. „So sind Männer eben. Glaub mir, ich kenne sie.“
    „Es ist
allgemein bekannt, wie gut du sie kennst.“
    Kaum waren die
bissigen Worte ausgesprochen, hätte Libussa viel darum gegeben, sie wieder
zurücknehmen zu können. In den Augen ihrer Mutter lag plötzlich nicht nur
Unzufriedenheit, sondern auch ein stummer Vorwurf. „Wir sind in diesen Dingen
nicht wie Völker, in denen allein die Männer herrschen, mein Kind. Bei uns
gehört eine Frau nicht einem einzigen Mann. Sie kann selbst entscheiden, mit
wem sie ihr Lager teilt. Mir scheint, das hast du gerade eben vergessen.“
    Libussa senkte
den Kopf. Es hatte jetzt keinen Sinn, sich zu entschuldigen, dazu kannte sie
ihre stolze, störrische Mutter zu gut. Ihren eigenen Ärger zu erklären wäre
aber ebenso vergebliche Mühe gewesen. Scharka hatte mit vielen Männern das
Lager geteilt, aber nur Thetkas Vater Jaromir war ihr so nahe gewesen, dass sie
mit ihm zusammenleben wollte. Nach seinem tödlichen Jagdunfall hatte sie tief
um ihn getrauert. Danach, vermutete Libussa, hatte ihre Mutter einfach nur
Trost und Ablenkung gesucht, und so war ihre jüngste Tochter entstanden.
Libussa störte sich nicht daran. Aber was ihre Mutter bei dem Fest von ihr
erwartet hatte, wäre ein Missbrauch der heiligen Hochzeit und damit auch Verrat
an den Göttern gewesen. Sie wusste genau, was ihre Mutter zu diesen Erklärungen
sagen würde. „Bei allen Göttern und Geistern des Waldes, Kind! Warum musst du
die Dinge immer so schrecklich ernst nehmen?“
    „Weil das meine
Natur ist“, erwiderte Libussa in Gedanken und ließ ihr Pferd hinter dem ihrer
Mutter laufen, um weitere Gespräche zu vermeiden, bis sie endlich den Fluss
Vltava erreicht hatten und die Wehrtürme von Chrasten vor ihren Augen
auftauchten.
     
    Während die Vorbereitungen für
Libussas Weihe zur Frau im Gange waren, schien ihre Mutter verärgert und mied
Gespräche. Libussa war erleichtert, denn so brauchte sie nicht zu erzählen, mit
wem sie sich in den Wald geschlichen hatte. Für Thetka, die sie mit Fragen
bedrängte, erfand sie die Geschichte von einem Unbekannten aus einem weit entfernt
lebenden Stamm, vielleicht gar aus den Ländern Rus. Es sei kaum möglich
gewesen, mit ihm zu reden, denn Menschen aus jener Gegend hatten eine
merkwürdige Aussprache, auch wenn sie einst zum selben Volk gehört hatten wie
die Behaimen.
    Erst an dem Tag
der Zeremonie sah Libussa wieder ein Lächeln auf den Lippen ihrer Mutter, denn
das Herz einer jeden Frau, die ein Mädchen zur Welt gebracht hatte, war bei
diesem Anlass mit Stolz erfüllt. Durch Töchter, die zu Frauen wurden, bestand
der Clan fort und konnte größer und mächtiger werden.
     In einem
Kleid
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