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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition)
Autoren: Tereza Vanek
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ihren Erinnerungen
schwelgen ließ – in ihren Erinnerungen an das Kupala-Fest vor einigen Wochen,
bei dem sie zur Frau geworden war.
    Wie alle jungen
Mädchen und Frauen hatte sie Blumen in den Fluss geworfen und war anschließend
selbst hinterher gesprungen. Bei Einbruch der Dämmerung war das rituelle Bad
vorüber. Nun gab es Tänze ums Lagerfeuer und für diesen Festtag speziell
gebraute Tränke. Auch Libussa griff nach einem Becher. Bald schon begann die
Welt um sie herum zu verschwimmen, doch alles erstrahlte in einem hellen Licht,
was von der Gegenwart zweier Götter zeugte: Morana und Jarilo, die Kinder der
großen Sonnengöttin, feierten ihre heilige Hochzeit. So konnte das Land Früchte
hervorbringen, um die Menschen zu ernähren. Da Jarilo der Sohn des Wassergottes
Veles war und Morana den Herrn des Donners und der Lüfte, Perun, zum Vater
hatte, trat durch diese Heirat Frieden ein zwischen zwei alten Erzfeinden. Es
war der glücklichste Augenblick des Jahres. Denn bald schon würde Morana aus
Eifersucht Jarilo töten und ihn so wieder zu seinem Vater in die Unterwelt
zurückschicken. Doch ohne ihren Gemahl welkte Morana dahin. Sie wurde zur
alten, bitteren Todesgöttin, und die Kälte des Winters legte sich über das
Land. Erst mit dem nächsten Frühling kehrte Jarilo wieder unter die Lebenden
zurück und umwarb Morana erneut.
    Aber an all das
hatte Libussa irgendwann an diesem Abend nicht mehr gedacht, obwohl sie sich
fest vorgenommen hatte, die Heiligkeit dieses Festes keinen Augenblick zu
vergessen. Sie wollte nicht sein wie so viele andere Mädchen, die bei dieser
Gelegenheit nur Ausschau nach gut aussehenden jungen Männern hielten. Die
heilige Hochzeit würde vollzogen, nichts weiter, hatte sie sich immer wieder
gesagt, um ihre eigene Nervosität zu bekämpfen. Es war ihre erste Teilnahme an
diesem bedeutenden Ritual, und danach würde sie in ihrem Volk als Frau
anerkannt werden. Vor ihr lag der Eintritt in eine geheimnisvolle Welt. Sie
wusste nicht, ob sie sich freuen oder fürchten sollte.
    Kazi, ihrer
ältesten Schwester, gefielen diese Feste nicht. Sie begleitete ihre Familie nur
aus Pflichtgefühl, und Libussa war nicht entgangen, wie ihr dunkler Haarschopf
in der Sicherheit des Waldes verschwand, als Männer und Frauen immer
ungezwungener aufeinander zugingen. Ganz anders Thetka. Sie liebte die
Aufmerksamkeit junger Krieger aller anwesenden Stämme, drehte sich wie wild im
Kreis und sprang mehrfach über das Feuer, damit auch niemand sie übersah.
    Scharkas
Töchter. Die Kinder der Fürstin der Tschechen. Jeder angesehene Krieger, jeder
männliche Spross eines fürstlichen Clans strahlte vor Stolz, wenn es ihm
gelungen war, die heilige Hochzeit mit einer von ihnen zu vollziehen.
    Aber genau das
hatte Libussa nicht gewollt. Sie war in einem schlichten, nur mit Holzperlen
verzierten Gewand gekommen, das ihre Kinderfrau Kveta früher getragen hatte.
Ihr Haar hatte sie wie die Töchter der Bauern zu zwei Zöpfen geflochten und mit
Blumen geschmückt. Von dem Schmuck, den ihre Mutter zu diesem Anlass freudig
verlieh, wählte sie nur ein paar Armreifen aus Kupfer.
    Wer immer er
sein würde, er sollte sie nicht kennen. Jede Frau war bei diesem Fest die
Göttin Morana, ebenso wie jeder Mann Jarilo verkörperte. Nichts weiter als das
hatte Libussa sich zunächst gewünscht. Einen Fremden, den sie bald vergessen
würde, und der nicht damit prahlen sollte, dass sie bei der heiligen Hochzeit
seine Gefährtin gewesen war.
    Während des
Tanzens schwand die Furcht allmählich. Der Trank zeigte seine Wirkung. Sie
sprang und wirbelte herum wie die anderen, befreit durch das sichere Gefühl,
Teilnehmerin an einem uralten Ritual zu sein. Noch nie zuvor hatte sie sich
Morana so nahe gefühlt. Es war, als tanzte die Göttin selbst an ihrer Seite.
    Vielleicht
hatte Morana sie zu dem Jungen geführt. Der Gedanke gefiel ihr, auch wenn er
vermessen war. Sie konnte sich erinnern, wie sie beschloss, Slavoniks Blicken
zu entkommen. Er stammte aus dem fürstlichen Clan der Kroaten, ein fast so
mächtiger Stamm wie die Tschechen, und versuchte bei diesen Gelegenheiten
stets, eine von Scharkas Töchtern zu verführen, um sich dadurch bei seinen
Freunden aufzuspielen. Libussa wusste genau, dass heute sie an der Reihe sein
sollte.
    Er war genau
das, was sie nicht wollte. Einen Mann, für den sie wie eine zusätzliche
Tätowierung wäre, die ihn als Krieger von Rang und Namen auszeichnete. Sie zog
sich weiter von den
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