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Die Totgesagten

Titel: Die Totgesagten
Autoren: Camilla Läckberg
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Berühmtheit liegen. Ganz schön ungerecht.
    Mellberg wollte sich gerade eine kleine Stärkung besorgen, als ihn jemand ansprach. »Wo sind wir bloß gelandet! Man kommt sich richtig alt vor, wenn man hier so steht.«
    »Ich bin auch nicht freiwillig gekommen.« Mellberg warf einen Blick auf die Frau neben sich.
    »Wem sagen Sie das! Mich hat Bodil hergeschleift.« Die Frau zeigte auf eine der Damen, die auf der Tanzfläche schwitzten.
    »Inmeinem Fall ist Sten der Schuldige.« Mellberg deutete ebenfalls auf die Tanzfläche.
    »Ich heiße Rose-Marie.« Sie gab ihm die Hand.
    »Bertil.«
    In dem Augenblick, als sich ihre Handflächen berührten, veränderte sich sein Leben. In den vergangenen dreiundsechzig Jahren hatte er so manche Frau begehrt. Er kannte Lust, Begierde und Geilheit. Aber er war noch nie verliebt gewesen. Nun erwischte es ihn umso heftiger. Verwundert musterte er sie. Vor ihm stand eine eher kleine und etwas füllige Frau um die sechzig mit kurzen, grellrot gefärbten Haaren. Doch er sah nur die blauen Augen, die ihn neugierig und intensiv ansahen, und versank in ihrem Blick, wie es in den Groschenromanen immer so schön heißt.
    Der Rest des Abends verging viel zu schnell. Sie tanzten und redeten, er holte ihr Getränke und rückte ihr den Stuhl zurecht, wenn sie sich hinsetzen wollte. Dinge, die definitiv nicht zu seinem Standardrepertoire gehörten. Doch an diesem Abend war alles anders.
    Nachdem sie auseinandergegangen waren, fühlte er sich plötzlich unbeholfen und leer. Er musste sie unbedingt wiedersehen. Und nun saß er da, an einem Montagmorgen in der Dienststelle. Und kam sich vor wie ein kleiner Junge. Vor ihm lag ein Zettel mit ihrem Namen und ihrer Telefonnummer.
    Schließlich atmete er tief durch und wählte die Nummer.
    Wieder hatten sie sich gestritten. Zum hundertsten Mal? Sie zählte nicht mehr mit. Zu oft waren ihre Auseinandersetzungen in verbale Boxkämpfe ausgeartet. Jede beharrte auf ihrem Standpunkt. Kerstin wollte Offenheit. Marit wollte Geheimhaltung.
    »Schämst du dich für mich – für uns?«, hatte Kerstin geschrien. Wie so oft war Marit ihrem Blick ausgewichen. Denn genau da lag das Problem. Sie liebten sich, und Marit schämte sich dafür.
    ZuBeginn hatte Kerstin gedacht, es spiele keine große Rolle. Wichtig war nur, dass sie sich gefunden hatten. Nachdem das Schicksal – und ihre Mitmenschen – ihnen tiefe Verletzungen zugefügt hatten. Welche Rolle spielte da das Geschlecht des geliebten Menschen? Was spielten die Kommentare und Ansichten der anderen für eine Rolle? Doch Marit konnte das nicht so sehen. Sie war nicht bereit, sich den Meinungen und Urteilen ihrer Umgebung auszusetzen. Alles sollte so bleiben wie in den vergangenen vier Jahren. Sie wollte, dass sie ein heimliches Liebespaar blieben und sich nach außen als Freundinnen ausgaben, die sich aus finanziellen Gründen und Bequemlichkeit eine Wohnung teilten.
    »Warum ist es dir so wichtig, was die Leute denken?«, hatte Kerstin im gestrigen Streit gefragt. Marit weinte, wie immer, wenn sie sich stritten. Und wie immer brachten Marits Tränen Kerstin noch mehr in Rage. Tränen waren Öl auf das Feuer ihres Zorns, der sich hinter der Mauer des Schweigens aufgestaut hatte. Sie hasste es, Marit zum Weinen zu bringen. Sie hasste die Umwelt und die Umstände, die sie zwangen, dem Menschen weh zu tun, den sie am meisten liebte.
    »Stell dir vor, was Sofie durchmachen müsste, wenn es herauskäme!«
    »Sofie ist viel härter im Nehmen, als du denkst. Benutze sie nicht als Vorwand für deine eigene Feigheit!«
    »Glaubst du etwa, es ist leicht für eine Fünfzehnjährige, von ihren Mitschülern gehänselt zu werden, weil sie eine Lesbe zur Mutter hat? Das muss die Hölle sein! Das tue ich ihr nicht an!« Das Weinen verzerrte Marits Gesicht zu einer hässlichen Fratze.
    »Glaubst du im Ernst, dass Sofie uns noch nicht durchschaut hat? Meinst du wirklich, dass wir ihr etwas vormachen können? Nur weil du ins Gästezimmer ziehst, wenn sie hier ist? Pah, Sofie hat es schon lange kapiert! An ihrer Stelle würde ich mich schämen, weil meine Mutter ihr Le benhinter einer Lüge versteckt, nur damit die Leute nicht reden.«
    Inzwischen schrie sie so laut, dass sich ihre Stimme überschlug. Marit sah sie mit diesem gekränkten Blick an, den Kerstin mit den Jahren zu hassen gelernt hatte. Sie wusste aus Erfahrung, was nun folgen würde. Und richtig, Marit stand abrupt auf und zog sich schluchzend die Jacke über.
    »Hau
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