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Die Totgesagten

Titel: Die Totgesagten
Autoren: Camilla Läckberg
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unbewaffnet, seine Waffe lag neben denen von Martin und Gösta oben auf der Anhöhe. Im Moment waren die Zwillinge ihnen überlegen.
    »Ich habe Lars angerufen.« Hanna hörte sich heiser an.
    »Das wissen wir, es ist auf dem Video zu sehen. Wir haben es zwar nicht gleich kapiert …«
    »Wie solltet ihr auch?« Sie lächelte traurig.
    »Nach deinem Anruf hat Lars sie abgeholt.«
    »Genau.« Vorsichtig stieg Hanna ins Boot und sackte auf der Bank in der Mitte zusammen. Lars setzte sich an denAußenbordmotor und drehte den Zündschlüssel. Nichts passierte. Eine tiefe Furche bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. Er versuchte es noch einmal. Der Motor jaulte auf, sprang aber nicht an. Patrik beobachtete Lars erstaunt, aber nach einem Blick zum Rettungsboot begriff er, was los war. Der Bootsführer hielt demonstrativ einen Benzintank in die Höhe. Wirklich patent, dieser Peter.
    »Ihr habt keinen Treibstoff.« Patrik klang ruhiger, als er in Wirklichkeit war. »Ihr könnt hier nicht weg. Unsere Verstärkung ist unterwegs. Am besten gebt ihr auf, damit niemand mehr zu Schaden kommt.« Patrik hatte das Gefühl, nicht die richtigen Worte zu finden. Falls es die überhaupt gab.
    Verbissen löste Lars den Tampen und stieß das Boot vom Steg ab. Es wurde sofort von der Strömung ergriffen und trieb langsam aufs Meer hinaus.
    »Ihr werdet nicht weit kommen.« Patrik überlegte fieberhaft, aber es wollte ihm keine andere Möglichkeit einfallen. Irgendjemand musste Lars und Hanna aufhalten. Ohne Motor konnten sie sowieso nicht entkommen, wahrscheinlich würden sie an einer der zahlreichen Inseln stranden. Patrik unternahm einen letzten Versuch.
    »Hanna, ich habe nicht den Eindruck, dass du die treibende Kraft hinter den Morden gewesen bist. Du hast immer noch eine Chance.«
    Hanna antwortete nicht. Seelenruhig erwiderte sie Patriks flehenden Blick. Dann berührte sie sachte Lars’ Hand, in der er die Pistole hielt. Aber er drückte sie ihr jetzt nicht mehr an die Schläfe, sondern stützte sich damit auf der Bank ab. Mit derselben beklemmenden Ruhe nahm sie nun seine Hand und führte sie wieder an ihren Kopf. Patrik sah, wie Lars sie im ersten Moment verwundert anblickte und dann, für einen kurzen Augenblick, vollkommen entsetzt. Doch im nächsten Moment überkam auch ihn wieder diese unheilvolle Ruhe. Hanna sagte etwaszu ihrem Bruder, was die Männer auf der Insel nicht verstehen konnten. Er antwortete und zog sie fest an sich. Dann legte Hanna ihren Zeigefinger ebenfalls auf den Abzug. Und drückte ab. Patrik fuhr zusammen, hinter ihm hielten Gösta und Martin die Luft an. Sprachlos mussten sie mit ansehen, wie Lars sich vorsichtig auf die Kante des Boots setzte. Hannas leblosen, blutverschmierten Körper hielt er dabei zärtlich im Arm. Ihr Blut war ihm ins Gesicht gespritzt, wie eine Kriegsbemalung. Er sah seine Schwester ein letztes Mal an. Dann führte er die Pistole an die eigene Schläfe. Und drückte ab.
    Als er nach hinten kippte, fiel Hanna mit ihm ins Wasser. Heddas Zwillinge versanken in der Tiefe. Wohin ihre Mutter sie schon einmal verbannt hatte.
    Nach wenigen Sekunden zeichneten sich auf der Wasseroberfläche schon keine Ringe mehr ab. Das blutverschmierte Boot schaukelte auf den Wellen. In der Ferne sah Patrik, wie in einem Traum, mehrere Boote näher kommen. Ihre Verstärkung war eingetroffen.

S chonbeim Aufprall, als sich alles in ein Inferno verwandelte, wusste er, dass es seine Schuld war. Sie hatte recht behalten. Er war ein Unglücksrabe. Er hatte nicht auf sie gehört, sondern immer wieder gefragt und gebettelt. Er hatte nicht nachgegeben. Und nun herrschte ohrenbetäubende Stille. Dem Knall der zusammenstoßenden Autos folgte eine grauenhafte Ruhe. Wo sich der Gurt beim Aufprall in seine Brust gegraben hatte, tat ihm der Oberkörper weh. Im Augenwinkel sah er, dass seine Schwester sich bewegte. Er traute sich kaum hinzusehen. Als er sich endlich überwand, bemerkte er, dass auch sie keine sichtbaren Verletzungen erlitten hatte. Er schluckte seine Tränen hinunter. Sie begann erst leise zu schluchzen, aber dann steigerte sich ihr Weinen zu einem verzweifelten Gebrüll. Zuerst wagte er nicht, einen Blick auf den Vordersitz zu werfen. Die Stille da vorne sagte ihm bereits, was er vorfinden würde. Wie eine Schlinge legte sich die Schuld um seinen Hals. Vorsichtig löste er seinen Gurt und beugte sich langsam und ängstlich nach vorn. Als er zurückzuckte, verschlimmerte sich der Schmerz in seinem
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