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Die Totenmaske

Die Totenmaske

Titel: Die Totenmaske
Autoren: Helene Henke
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gut. Sie baute eine Mauer um sich herum, die alles und jeden abprallen ließ. Niemand konnte wissen, was in ihr vorging. Da war es einfacher, die dunkle Seite des Mondes zu verstehen.
    Zoe hatte nicht gemerkt, wie ihr das Foto aus der Hand geglitten war. Leon beugte sich über sie, um es ihr abzunehmen. Inmitten der Bewegung hielt er inne, sein Gesicht unmittelbar vor ihrem. Sie spürte seinen Atem auf ihrer Haut. In seinem Blick lag ein Versprechen. Seine Nähe strahlte Sicherheit aus. Seine Lippen waren nur eine Handbreit entfernt.
    Der Klingelton seines Handys unterbrach die Stille.
    »Strater«, meldete Leon sich und lauschte dem Anrufer, wobei sein Blick immer wieder zu Zoe wanderte.
    »Verstehe.« Er runzelte die Stirn. Nickte. Runzelte die Stirn.
    Langsam wurde Zoe unruhig. Ihre letzte ungewollte Teilnahme an einem Telefonat hatte unter keinem guten Stern gestanden. Natürlich gingen Polizistengespräche sie nichts an, dennoch empfand sie es als unangenehm, ausgegrenzt zu sein. Der Rand ihrer Bettdecke war unter ihren Händen zu einer feuchten Wulst geschrumpft, die bereits unter der Last von Zoes Furcht zu ächzen schien.
    »Zugriff! Ich bin in fünfzehn Minuten da.«
    Er klickte das Gespräch weg und schien froh zu sein, Zoes Blick ausweichen zu können, während er das Handy in seiner Tasche verstaute.
    »Auf wen sollen sie zugreifen?« Zoes Beherrschung glitt allmählich dahin.
    »Hör zu …« Leon beugte sich vor und ergriff ihre Hand. »Ich muss zu einem Einsatz und komme später zurück.«
    »Willst du mich verarschen? Rede nicht mit mir, als ob ich ein kleines Kind wäre!«
    »Gut, wie du willst«, erwiderte er leicht gereizt. »Ich habe die Meldung bekommen, dass deine Mutter in ihrer Kapelle Feuer legt und droht, sich selbst anzuzünden.«
    Wie vom Donner gerührt starrte Zoe ihn an. Wenn sie sich bislang noch hatte einreden können, alles würde sich aufklären, was die Verdächtigungen gegenüber ihrer Mutter betraf, so war sie nun vom Schicksal mit einem Tritt in die Realität befördert worden.
    »Ich komme mit!« Sie riss die Decke zurück und schwang die Beine über den Bettrand. Schmerz schoss durch ihren Oberschenkel und trieb ihr die Tränen in die Augen.
    Leon war aufgesprungen. »Das geht nicht! Du bist verletzt und kannst nicht laufen.«
    »Gib mir die Krücke da hinten neben der Tür! Damit wird es gehen.« Sie sah ihm fest in die Augen. »Und meine Klamotten auch, bitte!«
    Leon tat wie geheißen. Während Zoe in Jeans und T-Shirt schlüpfte, musste sie ihm mehrfach verdeutlichen, dass sie nicht von ihrem Vorhaben abzubringen war. Irgendwann hörte er auf, zu widersprechen.
    »Wir nehmen den Hinterausgang. Vor dem Krankenhaus wimmelt es vor Presse. Woher die immer wieder Wind bekommen, wird wohl ein ewiges Mysterium bleiben.« Leon hielt Zoe die Tür auf. Sie traten auf den Gang. »Fragt mich doch vorhin ein Reporter, was die bekannte Bestatterin Zoe Lenz mit den Morden zu tun hat! Unfassbar! Wie kommen die bloß auf so was?«
    »Ich hätte da schon so eine Ahnung«, erwiderte sie und verdrehte die Augen. »Erzähl ich dir später.«
    Trotz ihrer Verletzung kam sie erstaunlich gut voran. Der Gummipfropfen am Ende der Krücke hinterließ bei jedem Schritt ein Schmatzen auf den gefliesten Stufen im Nottreppenhaus. Die Kopfschmerzen waren von ihrem neu erweckten Tatendrang wie fortgeblasen. Durch die Fenster sah sie einen Pulk Journalisten vor dem Haupteingang. Wie Rennsportler warteten sie auf den Startschuss. Fernsehkameras ragten klobig zwischen puschelbeschürzten Mikrofone auf Stäben empor. Darunter auch der Privatsender, den das Presseamt Emmelshausen Zoe vergangenes Jahr auf den Hals gehetzt hatte. Anscheinend erwartete der Stadtrat, dass seine Popularität zunahm, wenn er die jüngste Bestatterin Deutschlands als Maskottchen auserwählte. Bis dahin wusste Zoe nicht einmal von ihrem zweifelhaften Titel und hatte sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, ein Interview zu geben. Der Hintergedanke, dass ihre Arbeit mit Totenmasken ein wenig bekannter werden könnte, wenn man darüber im Fernsehen berichtete, hatte sie letztlich dazu bewogen, nachzugeben. Das hatte sie nun davon! Keine nennenswerte Erhöhung der Auftragslage, dafür einen Pulk Sensationsreporter.
    Sie erreichten Leons Wagen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Über den Polizeifunk kam eine Meldung von einem Brand in Birkheim.

    Die Feuerwehr war schon vor Ort, als sie vor Zoes Haus ankamen. Das ganze Dorf schien
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