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Die Toteninsel

Die Toteninsel

Titel: Die Toteninsel
Autoren: Hubert Haensel
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stand ein großer, thronähnlicher Sessel. Die Tochter des Kometen hatte ihn als erste umrundet.
    In sich zusammengesunken, kauerte eine Mumie in den weichen Kissen.
    Blicklose Augen starrten an Fronja vorbei gen Westen. Fast schlohweißes, wallendes Haar fiel bis auf die Schultern des Toten. Eine faltige, pergamentartige Haut spannte sich über die Gesichtsknochen, die bleich und kantig hervortraten.
    Das Kinn war ein wenig herabgesunken, der halb geöffnete Mund erweckte den Eindruck, als wolle der vertrocknete Leichnam jeden Moment zu reden beginnen.
    »Ein Mausoleum«, vermutete Fronja spontan. »Die Tatasen haben hier ihre Herrscher beigesetzt. Die kostbaren Gegenstände sind Grabbeigaben, die ihnen das Leben im Jenseits erleichtern sollen.«
    »Wie lange mag der Tote schon hier ruhen?« fragte Gerrek.
    »Schwer zu sagen«, meinte Mythor. »Bestimmt aber einige Jahrzehnte.«
    Ein innerhalb weniger Augenblicke lauter werdendes Knirschen ließ ihn verstummen. Ein leichtes Zittern durchlief den steinernen Mosaikboden, von den Wänden löste sich Staub in verstärktem Maß.
    »Das kommt von draußen«, behauptete Robbin. »Als würde eine Wand einstürzen.«
    Eine dumpfe Grabesstimme ertönte.
*
    »Frevler!« hallte es von allen Seiten wider. Zu erkennen, woher diese Stimme kam, war unmöglich.
    »Verdammt seien alle Grabräuber und Grabschänder, die selbst vor dem Heiligsten keine Achtung haben. Sie sind schlimmer als Dämonen.«
    Das Knirschen wurde lauter. Irgendwo polterten Steine.
    »Das kommt von dort«, behauptete Fronja und zeigte auf den ins Freie führenden Gang. »Der Klang bricht sich nur in diesem Raum und wird zugleich verstärkt.«
    »Sterben werdet ihr wie jeder, der sich an unseren Herrschern vergangen hat. Verdammt sollt ihr sein bis in aller Zeit Ende, und eure Seelen sollen in ewiger Verdammnis schmoren.«
    Ein Schatten begann, den Gang zu verdunkeln.
    Robbin schrie auf:
    »Jemand will uns einschließen.«
    Schon rannten Mythor und er los. Der Felsquader, den sie mittels eines unbekannten Mechanismus zur Seite geschoben hatten, wälzte sich wieder vor die Öffnung.
    Mythor glaubte, einen bleichen Knochenarm zu sehen, aber viel zu flüchtig war der Eindruck. Der Quader hatte sich mittlerweile so weit geschlossen, daß niemand sich mehr hindurchzwängen konnte.
    »Wir sind verloren«, schrie Robbin. »Zu den Fenstern kommen wir niemals hinauf.«
    Mit aller Kraft warfen sie sich gegen den Fels, doch vermochten sie ihn nicht einmal eine Fingerbreite zu bewegen.
    »Nehmt euch von den Schätzen.« Höhnisches Gelächter drang durch den letzten Spalt herein. »Ihr dürft sie behalten.«
    »Eine Stange«, schrie Robbin. »Schnell. Oder etwas anderes, das wir als Hebel benutzen können.«
    Mythor riß das Gläserne Schwert aus der Scheide. Keinen Augenblick zu früh, denn schon klemmte der Felsquader die Klinge an der Mauer fest.
    Mit beiden Händen drückte der Sohn des Kometen das Schwert von der Mauer weg. Alton hielt tatsächlich stand. Flüchtig hatte er befürchtet, es könne zwischen den Steinen zerbrechen.
    »Du schaffst es«, rief Robbin. »Mach weiter. Nicht nachlassen.«
    Knirschend gab der Quader nach. Der Schweiß rann Mythor in Strömen übers Gesicht.
    »Schnell«, keuchte er. »Etwas zum Auskeilen.«
    Gerrek brachte eine Kriegskeule. Als Mythor dann das Gläserne Schwert tiefer in die Öffnung schob, erklang von draußen ein erschreckter Aufschrei.
    »Wer wagt es, diese Klinge zu führen? Ein gemeiner Dieb, der dafür hundertfachen Tod verdient hat?«
    »Hä?« machte Gerrek Verständnislos.
    »Alton gehört mir«, erwiderte Mythor. »Wage nicht, mich einen Dieb zu schimpfen.«
    »Trotzdem störst du die Ruhe der Toten auf Kaytim.« Das klang bereits weit weniger herausfordernd. »Wer bist du?«
    »Nenne mich Mythor, den Sohn des Kometen.«
    Eine Weile herrschte betretenes Schweigen, und die vier Carlumer glaubten schon, ihr Gegner hätte sich aus dem Staub gemacht, als unvermittelt die Öffnung wieder größer wurde.
    Mythor trat als erster ins Freie hinaus, das Gläserne Schwert in der Rechten haltend und bereit, jeden Angriff gebührend zu erwidern. Nach dem Dämmer im Innern des Mausoleums blendete ihn die mittlerweile herrschende Helligkeit ein wenig. Trotzdem bemerkte er das Skelett, das sich von der Seite heranschlich, eine doppelt mannslange Sense als Waffe erhoben.
    Mythor wirbelte herum, das Gläserne Schwert zum Schlag hochreißend.
    »Bleib stehen!« fauchte er. »Ich habe
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