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Die Toten von Santa Lucia

Die Toten von Santa Lucia

Titel: Die Toten von Santa Lucia
Autoren: Barbara Krohn
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keinen Schaden mehr anrichten können. Damit niemand mehr sterben muss.«
    Franco stand wie vom Schlag getroffen. »Wird mein Vater darin belastet?«
    Luzie nickte vorsichtig.
    Da fing Franco Fusco an zu lachen. Er schwankte und tänzelte wie besoffen auf den Rand des Kais zu. Er breitete lachend die Arme aus, als wollte er das Meer umarmen, als wollte er ein Gleichgewicht halten, das vor vielen Jahren zerbrochen war. Noch einmal drehte er sich zu Luzie um und rief euphorisch: »Ich habe es geschafft! Ich bin wieder frei! Ich habe es ihm heimgezahlt, diesem Heuchler, diesem feigen Mörder. Ich habe Antonio gerächt. Jetzt kann ich endlich selbst auf die Reise gehen, endlich …«
    Luzie sah, wie er schnell in die Jacketttasche griff, etwas Metallenes herauszog, gegen die Schläfe hielt und abdrückte. Es gab einen Knall, Sekunden später einen lauten Platscher.
    Luzie schloss die Augen. Kurz darauf waren Gentilini und Sonja zur Stelle.

37
    Ein Gärtner aus Sri Lanka sorgte seit einem halben Jahr dafür, dass es dem mediterranen Blumenmeer im Garten der Villa Fusco am Capo di Posillipo an nichts fehlte. Der englische Rasen wurde jeden dritten Tag auf zwei Zentimeter Länge gestutzt, damit er dicht und weich wie ein Teppich blieb, das Unkraut wurde per Hand gejätet, die Blumenbeete rund um die Terrasse wurden jeden Tag kurz nach Sonnenaufgang und jeden Abend kurz vor Sonnenuntergang gewässert. Der Gärtner – ein fünfundzwanzigjähriger Mann, der sich von dem Geld, das er in den nächsten drei Jahren in Neapel verdienen würde, ein Medizinstudium finanzieren wollte – versorgte die Rosen mit Dünger, schnitt alle Blüten, sobald sie nicht mehr taufrisch waren, sofort ab – und legte sie in seinem Zwölfquadratmeterzimmer im Souterrain des Hauses in eine große Schale. Er war auch dafür zuständig, dass der Zierbrunnen im Garten nicht verkalkte und nicht verstopfte und das Wasser im Swimmingpool jeden Morgen glasklar war, frei von ertrunkenen Insekten, herübergewehten Samen oder Blütenblättern. Mit dem Hausherrn, Gaetano Fusco, hatte der Gärtner selten zu tun, Fusco war zwar pensioniert, aber sehr beschäftigt und meistens nur sonntags zu Hause und sah ansonsten durch ihn hindurch. Seine Anweisungen nahm der Gärtner von der Signora entgegen, die jedoch seit einem Monat im Haus der Familie auf Capri weilte.
    Am Sonntag hatte der Gärtner Ausgang. Er fuhr dann schon früh morgens mit dem Bus in die Stadt und sah sich die Kirchen an. In Neapel gab es an jeder zweiten Straßenecke eine Kirche, der Gärtner würde viele Sonntage brauchen, bis er alle gesehen hatte. Mittags kaufte er sich irgendwo eine Pizza, setzte sich dann in den Park und verbrachte den Rest des Tages mit Schauen und Lesen. Gegen Abend wartete er geduldig auf den Bus, der manchmal schon nach fünf Minuten kam, manchmal eine ganze Stunde lang nicht. So war es auch an diesem Sonntag. Gegen halb sieben kehrte der Gärtner in die Villa Fusco zurück. Er zog sich in seinem Zwölfquadratmeterzimmer um, tauschte seine Sonntagskleidung gegen Arbeitsklamotten und ging hinaus in den Garten. Bis er alle Pflanzen gewässert und den Rasen gesprengt hatte, vergingen gut zwei Stunden.
    Deshalb fand er die Leiche erst kurz bevor es dunkel wurde. Sie lag im Swimmingpool und schwamm mit dem Rücken zuoberst auf dem Wasser, wie in einem Film. Der erste Gedanke des Gärtners war, dass er das Wasser vollständig würde wechseln müssen. Dann rannte er zurück ins Haus und wählte die Nummer der Signora auf Capri, die sie ihm hinterlassen hatte, für den Fall, dass es irgendwelche Fragen gäbe, was den Garten betraf. Dieser Fall war jetzt eingetreten. Signora Fusco benachrichtigte die Polizei. Als Gentilini und Stefano Di Maio am Tatort eintrafen, war es schon stockfinster. Sternenklarer Himmel, die Grillen zirpten ihre rätselhaften Weisen.
    Der Gerichtsmediziner war der Ansicht, dass Gaetano Fusco zu dem Zeitpunkt, als der Gärtner ihn fand, bereits zwischen acht und zwölf Stunden im Wasser gelegen hatte. Allerdings war Franco Fuscos Vater nicht ertrunken. Gentilini und Di Maio hatten sofort einen Verdacht, von wem die todbringende Kugel in seinem Herzen stammte. Es war ein Verdacht, den die Ballistiker am nächsten Tag bestätigten. Gaetano Fusco war mit derselben Waffe erschossen worden, mit der auch sein Sohn sich in eine andere Welt katapultiert hatte.
    »Erst hat er seinen Vater erschossen und dann sich selbst«, berichtete Gentilini, als er abends mit
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