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Die Toten von Santa Lucia

Die Toten von Santa Lucia

Titel: Die Toten von Santa Lucia
Autoren: Barbara Krohn
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fernen Hamburg danach gesucht.«
    Striano nickte. »Vielleicht war es für Di Napoli eine Art Rückversicherung, ein Zukunftsplan. Vielleicht hatte er, nachdem er erfuhr, dass er Vater wird, seine Pläne geändert. Vielleicht wollte er seine Informationen auf ganz andere Weise nutzen als durch eine publizistische Veröffentlichung, ähnlich wie Zazzera …«
    Als er sah, dass Sonja schon wieder protestieren wollte, öffnete er ratlos die Arme. »Alles reine Spekulation.
    Wir wissen es nicht und werden es auch nie wissen. Was wir in der Hand haben, sind nur Kopien. Wir wissen nicht einmal, ob die Verbrecher das Original gefunden haben, als sie damals die Wohnung der Wohngemeinschaft, in der Di Napoli lebte, auseinander genommen haben. Zwanzig Jahre lang war jedenfalls Ruhe. Plötzlich meldet sich Libero Zazzera bei Fusco und versucht ihn zu erpressen. Sofort weiß Fusco, dass eine Kopie dieser Unterlagen in Umlauf ist – und er wird unter Garantie nicht eher ruhen, bis er sie in die Finger bekommt. Was die beiden Motorradfahrer von heute früh deutlich genug unter Beweis stellen.«
    »Wer hat Libero auf dem Gewissen?«, fragte Luzie.
    »Wir haben einen Mann verhaftet, bei dem wir die Tatwaffe gefunden haben«, erklärte Gentilini. »Benito Abruzzese, ein lange schon polizeilich gesuchter Auftragskiller. Allerdings schweigt er sich noch immer eisern über seinen Auftraggeber aus.«
    »Ebenfalls Fusco?«
    »Sicherlich nicht so direkt. Fusco ist nicht dumm. Aus jahrzehntelanger Ermittlungsarbeit weiß er genau, wie so etwas erledigt wird. Es braucht nicht viel, um sich von der Camorra einen Killer auszuleihen. Wenn wir ein bisschen tiefer schürfen, wird es uns wie Schuppen von den Augen fallen, in wie vielen Prozessen der alte Fusco seine Finger im Spiel hatte und wem das massiv oder auch nur indirekt genützt hat. In der neapolitanischen Unterwelt ebenso wie in der Halbwelt und der so genannten feinen Gesellschaft gibt es garantiert diverse Leute, bei denen Gaetano Fusco noch immer ein Riesenguthaben an offenen Gefallen hat. Mit anderen Worten kann er jederzeit auf Schützenhilfe rechnen.«
    »Und ihr glaubt, er hat auch die Motorradfahrer geordert, die Luzie und das Manuskript am Kai abfangen sollten?«, fragte Sonja.
    Gentilini nickte. »Er hat viel zu verlieren. Seinen ungestörten Lebensabend.«
    »Seine weiße Weste.«
    »Aber woher wussten seine Handlanger, dass Luzie heute früh mit dem Schiff ankommen würde?« Sonja sah Gentilini an. »Das war doch nur uns beiden bekannt.«
    Gentilini schob den Unterkiefer vor. »Tja, eben nicht nur. Da ist auch noch die Polizeidienststelle auf Stromboli. Und da sind auch noch meine Kollegen in Neapel, bei denen die Nachricht Zwischenstation gemacht hat, bevor sie mich erreichte. Wir vermuten schon lange, dass es bei uns mindestens eine undichte Stelle gibt.« Er warf Striano einen viel sagenden Blick zu.
    »Piselli?«, fragte Striano. »Oder Cava?«
    Gentilini wiegte den Kopf. »Weiß nicht. Massone vermutet etwas in der Richtung, aber ich bin mir nicht sicher.«
    »Ich habe gehört, dass Pisellis Mutter letztes Jahr schwer krank war, sie musste in Frankreich operiert werden. So was kostet ein Vermögen«, sagte Striano.
    In der Ferne näherte sich ein Auto. Gentilini gab den Frauen ein Zeichen, sich in die Wohnung zurückzuziehen – sie konnten nicht vorsichtig genug sein. Durch ein Fernglas beobachtete er das Geschehen. Der Fiat parkte auf halber Strecke am Straßenrand. Aus den Türen quoll eine sechsköpfige Familie samt Strandutensilien, Kühltasche, Klappstühlen. Es war kurz nach neun, es war Wochenende. Der Strand würde sich ziemlich schnell mit Badegästen füllen, das machte die Kontrolle über die Straße schwieriger. Sie mussten wachsam sein. Sie mussten eine Entscheidung treffen, was nun geschehen sollte.
    Zu einem ähnlichen Ergebnis waren auch Luzie und Sonja gekommen.
    »Und was jetzt?«, fragte Luzie, als die beiden Frauen wieder auf den Balkon hinaustraten.
    Sonja stemmte die Hände in die Hüfte. »Ich meine, sollen wir die nächsten Monate hier auf der Lauer liegen und uns an der schönen Aussicht ergötzen, bis keine Motorradfahrer mehr hinter uns her sind? Wieso könnt ihr Fusco nicht einfach verhaften?«
    Gentilini und Striano sahen sich an. Ihr Blick drückte Resignation und Bedauern aus.
    »Was soll das heißen?«, fragte Sonja deutlich irritiert.
    Gentilini schwieg betreten und sah erneut seinen Kollegen an. Striano war der ältere, erfahrenere
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