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Die Toten von Bansin

Die Toten von Bansin

Titel: Die Toten von Bansin
Autoren: Elke Pupke
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dafür kann ich jetzt mit meinem Fisch machen, was ich will, früher musste ich alles abliefern, war ja alles Genossenschaft. Bloß für den Eigenbedarf durfte ich ein paar Fische behalten«, grinst er.
    Der Briefträger lacht. »Ja und euer Eigenbedarf war ganz schön groß. Die Fischer haben sich hier dumm und dämlich verdient«, erzählt er Steffi. »Das waren die kleinen Könige hier. Als Einheimischer hatte man ja seinen Fischer, da hat man immer mal etwas bekommen können. Aber die Urlauber? Offiziell, im Fischladen oder so, gab es kaum was. Also haben sie schwarz gekauft, mit Westgeld bezahlt oder mit Autoersatzteilen, Fliesen, was weiß ich. Die Fischer hatten alles.«
    Plötz zuckt mit den Schultern. »So war das nun mal. Du hast doch nichts kaufen können im sogenannten Arbeiter- und Bauernstaat. Da musste eben jeder sehen, wo er bleibt.«
    Berta nickt. »Das stimmt. Ich staune auch immer, wie viele das vergessen haben. Ist doch komisch, diejenigen, die früher am meisten gemeckert haben, tun das jetzt wieder. Aber ich glaube, den Fischern ging es wirklich besser, oder?«
    Arno hat die Aalschnüre in eine flache Kiste gelegt und steht jetzt auf. Er nimmt sein Glas Tee, entfernt den Beutel daraus und stellt sich zu den anderen.
    Â»Also, ich finde es heute besser«, bemerkt er. »Dieses Eingesperrtsein und die dauernden Kontrollen empfand ich immer als beklemmend.«
    Â»Ja«, nickt Plötz, »uns haben sie nicht aus den Augen gelassen. Wir mussten jede Fahrt anmelden: wer, wann, wohin, wie lange. Das ging einem schon auf die Nerven.«
    Â»Und man durfte niemanden mitnehmen«, ergänzt Arno. »Nicht mal ich durfte mit rausfahren, um meinem Vater zu helfen.«
    Â»Ist denn mal jemand abgehauen?«
    Â»Also, von uns hier wüsste ich keinen. Aber ich glaube, wenn es einer wirklich gewollt hätte – also ich kann mich erinnern, in den fünfziger Jahren hat noch einer seinen Sohn nach Schweden rübergebracht. Aber da war das auch noch nicht so schlimm.«
    Â»Na ja, ist schon ganz gut, dass das vorbei ist.« Berta erhebt sich stöhnend. »Eigentlich wollte ich heute Mittag Fisch machen, aber nun gibt es eben Pellkartoffeln mit Stipp.«
    Â»Was?«, fragt Steffi, »das hab ich ja noch nie gehört.«
    Â»Das glaub ich«, lacht Plötz. »Das ist ein pommersches Arme-Leute-Essen, schmeckt aber. Macht meine Alte auch öfter.«
    Â»Das ist einfach eine dunkle Mehlschwitze mit Speck und Zwiebeln drin, ich schmeck das mit ein bisschen Thymian ab«, erklärt Berta, als die Frauen hinausgehen. »So etwas kann man natürlich den Gästen nicht anbieten, aber wir mögen das.«
    Freitag, 12. Oktober
    Mit zitternden Händen schließt Dr. Markus Moll sein Auto ab. Seit dem Vorfall im Wald lässt er es nie mehr offen, nicht mal hier im Hinterhof seiner Praxis. Er flucht leise, als ihm der Schlüssel aus der Hand rutscht und in eine Pfütze fällt. Es regnet, feiner dichter Nieselregen. Beim Bücken rutscht ihm die Kapuze ins Gesicht und er bemerkt, dass er mit seinen dünnen weißen Schuhen im Wasser steht. Er ist schon an der Haustür, dann fällt ihm etwas ein, er läuft zurück und vergewissert sich, dass auch die Beifahrertür verriegelt ist. Vielleicht sollte er sich doch endlich mal ein neues Auto kaufen, mit Zentralverriegelung zum Beispiel.
    Als er durch das noch leere Wartezimmer geht, hört er das etwas meckernde Gelächter seiner Sprechstundenhilfe. Die Räume sind warm und hell, der vertraute Geruch hat ihm bisher immer Geborgenheit und Sicherheit suggeriert. Jetzt ist alles anders. Er hat Angst.
    Er räuspert sich und ruft betont munter »Morgen, Mädchen! Ist der Kaffee fertig?« in die hinteren Räume.
    Schwester Marita steckt den Kopf um die Ecke. »Klar, Doktor, kommt sofort.«
    Auch sie bemüht sich um einen normalen Ton, kann aber einen prüfenden Blick nicht vermeiden.
    Der Arzt geht in sein Sprechzimmer. Vorsichtig sieht er sich um, es scheint alles in Ordnung zu sein. Aber das hat er gestern auch gedacht. Dann war ein wichtiger Befund, den er mit Sicherheit am Vorabend auf den Schreibtisch gelegt hatte, spurlos verschwunden. Er musste ihn noch einmal anfordern, was äußerst peinlich war, und den ohnehin aufgeregten Patienten warten lassen.
    Später fand er in seinem Schreibtisch eine Packung Weinbrand-Pralinen, die er
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