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Die Toten von Bansin

Die Toten von Bansin

Titel: Die Toten von Bansin
Autoren: Elke Pupke
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Worte und eilte ins Schlafzimmer. Es konnte jetzt gar nicht schnell genug gehen. Vor fünf Minuten hatte sie noch nichts von ihrem Auszug gewusst, inzwischen erschien er ihr vollkommen logisch.
    Schwungvoll holte sie den Koffer vom Kleiderschrank, legte ihn geöffnet aufs Bett und warf hastig ihre Kleidung hinein. Ein Arm voll Jacken und ein Mantel wurden in eine Decke eingewickelt. In eine große Ikea-Tüte kamen Bettwäsche und Handtücher. Ihr Kopfkissen und die Bettdecke nahm Sophie einfach bezogen mit. Nach einer halben Stunde sah sie sich erleichtert um. Alles, was sie mitnehmen wollte, war in ihrem kleinen Auto verstaut. Auch die wichtigsten Kartons aus dem Keller. Die anderen würde sie später holen.
    Vorsorglich steckte sie den Ersatzschlüssel für den Keller in die Tasche. Vielleicht bekam sie es ja hin, Rüdiger nie wieder zu sehen.
    Als sie das Haus verließ, verschwendete sie schon keinen Gedanken mehr an den Ex-Geliebten, sondern freute sich auf die Fahrt. Keine Sekunde hatte sie überlegen müssen, wohin die Reise gehen würde. Tante Berta war schon immer ihre Zuflucht gewesen und hatte sie stets mit offenen Armen empfangen.
    Warum war sie darauf nicht schon früher gekommen? Das Arbeitsamt würde doch eine Weile zahlen und was dann kam, darüber konnte sie immer noch nachdenken. Erst einmal wollte sie sich jetzt erholen. Wie sie sich freute auf die Ostsee, den Wind und das Möwengeschrei!
    Sie würde mal wieder richtig ausschlafen, lange Strandspaziergänge machen und vor allem klönen. Kein noch so langes Telefonat konnte die gemütlichen Gespräche bei einem Glas Rotwein am Stammtisch in Bertas Kneipe ersetzen. In Weißensee stoppte Sophie noch einmal, tankte voll und erstand auch ein belegtes Brötchen und einen Becher Kaffee zum Mitnehmen. Dann gab sie Vollgas und hoffte, dass sie kein Polizist anhielt, denn das Auto war vermutlich etwas überladen. Am frühen Abend war sie in Bansin.
    Freitag, 21. September 2012
    Sophie Kaiser steht hinter dem kleinen Empfangstresen ihrer eigenen Pension. Die kleine, zierliche Frau mit den glänzenden, kupferrot gefärbten Haaren ist jetzt 47 Jahre alt, was man allerdings nur sieht, wenn sie müde oder erschöpft ist. In den seltenen Momenten, in denen sie sich Zeit zum Nachdenken nimmt, stellt sie erschrocken fest, dass mindestens die Hälfte ihres Lebens vorbei ist. Dabei hat sie immer noch das Gefühl, am Anfang zu stehen. Sie hat weder Kinder noch eine feste Beziehung und im Unterbewusstsein nach wie vor die vage Vorstellung Das kommt schon noch.
    Doch meistens ist Sophie vollkommen zufrieden. Ihre Arbeit füllt sie aus, sie mag die Menschen, die sie umgeben, und vor allem den Ort, an dem sie lebt. Bansin ist ihre Heimat, sie fühlt sich angekommen.
    Angestrengt blickt sie auf den Computerbildschirm. Die Belegungslisten für die 25 Räume sind gut gefüllt. Heute reisen zwei Familien ab, das eine Zimmer wird morgen schon wieder gebraucht. Sie macht eine Notiz für die Zimmerfrauen. Dann zieht sie ein dickes Buch aus der Schublade und vergleicht die Eintragungen mit denen im PC. Sie weiß, dass sich alle darüber lustig machen, kann aber ihre Angst, dass das Programm abstürzt und alle Buchungen verloren gehen, nicht ablegen.
    Stolz sieht sie sich um. Der Empfangsbereich ist, wie das ganze Gebäude, hell und freundlich. Blau und Weiß herrschen vor, maritimes Flair wird hier erwartet und passt zur Lage der Pension. Den Namen Kehr wieder trägt dieses Haus direkt an der Strandpromenade seit über hundert Jahren. Darin drückt sich der größte Wunsch aus, den die damaligen Besitzer hegten. Er ist in Erfüllung gegangen, Sophies Urgroßvater ist von seinen Fahrten als Kapitän stets zu seiner Familie zurückgekommen und im hohen Alter friedlich eingeschlafen, mit der Pfeife in der Hand, die erstarrten Augen auf seine geliebte Ostsee gerichtet.
    Die Veranda, wo er in den letzten Jahren seines Lebens saß, ist heute der schönste Teil des Restaurants. Sophie sieht auf ihre Armbanduhr. »Wir können das Büfett jetzt abräumen«, ruft sie der Kellnerin zu, die bereits Servietten für das Mittagessen faltet. Die letzten Frühstücksgäste nicken ihrer Wirtin freundlich zu, als sie an ihr vorbei zur Treppe gehen, die zu den Zimmern führt.
    Die Kellnerin bringt die Wurstplatten in die Küche und Sophie will gerade dabei helfen, als
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