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Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)

Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Giuliano Pasini
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Redeschwall aus: »Ich weiß nichts, comisàri ! Ich schwör’s Ihnen. Ich hab nur ein bisschen Holz gesammelt. Wo’s doch immer so kalt ist in meinem Haus. Wer soll das ertragen? Ich nicht! Povera cìna, povera cìna, das arme Mädchen.«
    Roberto hat gelernt, sich nicht mehr über den Mischdialekt dieser Gegend aufzuregen, der weder Modena noch Bologna ist, weder Ebene noch Berge. Die herzzerreißende, nicht verlangte Rechtfertigung erregt seine Aufmerksamkeit.
    »Vielleicht haben Sie etwas gesehen. Oder jemanden.«
    »Niemanden, comisàri ! Gnìnta e gnisùn, nichts und niemanden. Ich schwör’s Ihnen bei meinem Leben! Als ich diese Ärmsten hier gefunden hab, hab ich sofort im Haus des Polizisten angerufen!« Sein Atem riecht sauer und ranzig. Das Netz der Äderchen in seinem Gesicht zeugt vom regelmäßigen Genuss der herben Weine der Emilia. Der Geruch seiner Kleidung verrät, dass er sie zum Wärmen trägt. Sein Blick sucht Manzini, der sich gerade zu ihnen umdreht.
    Es ist kein Zufall, dass er nicht auf dem Kommissariat angerufen hat. Für die Leute aus dem Dorf ist Manzini der Polizist. Einer von uns, un di nòster, wie sie hier sagen. Nach vier Jahren bin ich immer noch einer von außerhalb, un ed fora, ein Fremder. »Also, dann nehmen Sie Ihren Wagen und folgen Sie dem Agente.«
    Der Bauer macht einen Satz nach hinten, als wäre er beinahe mit dem Fuß in ein Fangeisen getreten. Auch sein Blick ist der eines Tieres, das in eine Falle geraten ist.
    »Ich weiß nichts, comisàri. Ich hab’s Ihnen doch gesagt.«
    Roberto glaubt das Gegenteil. Dieser Mann verbirgt etwas. »So ist das üblich, Guerzoni. Sie haben die Leichen gefunden. Ihre Aussage ist von grundlegender Bedeutung. Nehmen Sie Ihren Wagen.«
    Es fehlt nicht viel, und der Bauer bricht in Tränen aus. »Ich hab doch keinen, comisàri. Ich hab doch nicht mal den Führerschein. Nur den Trecker.« Er zeigt mit der Mütze zu dem alten Landini.
    »Und den fahren Sie ohne Führerschein?«
    Guerzoni macht den Mund auf, gibt ein Stöhnen von sich und schließt ihn wieder. Manzini eilt ihm zu Hilfe.
    »Komm, Berto. Ich fahr dich zum Kommissariat. Steig bei mir ein.«
    Der andere fügt sich. Er setzt die verknautschte Baskenmütze auf den gelblichen Haarschopf und geht zu dem Fiat Marea hinüber.
    Manzini murmelt: »Er hat keinen Führerschein, weil er ein bisschen zu viel trinkt, aber er braucht den Traktor, um seine Felder zu bewirtschaften. Im Dorf wissen das alle.«
    Roberto breitet die Arme aus. Ende der Diskussion. »Nur ich weiß es nicht, weil ich einer von außerhalb bin.«
    »Das hab ich nicht gesagt.«
    »Ich hab das gesagt. Und das ist auch der Grund, weshalb ich möchte, dass du diesen Typen verhörst. Mir gegenüber würde er den Mund sowieso nicht aufkriegen.«
    »Macht es dir nichts aus, hier zu bleiben, mit … ihnen?« Er zeigt auf die Leichen.
    »Was sollen die mir denn noch tun? Es sind die Lebenden, vor denen man sich fürchten muss.«
    Manzini senkt den Kopf und flüstert: »Bondi war auch hier. Er ist schon wieder weg gewesen, bevor du gekommen bist.« Er tut sich schwer mit dem letzten Satz: »Er hat einen Menge Fotos geschossen.«
    Roberto verdreht die Augen. Mattia Bondi ist ein Journalist, der nicht zögern würde, die Bilder der gemarterten Toten auf der Titelseite der Gazzetta di Modena zu bringen. Er war’s also in der Ente, die mich beinahe von der Straße gedrängt hat.

6
    S chon während er den Marea hinter der ersten Kurve verschwinden sieht, sehnt Roberto das Kommen des Arztes und der Leute von der Kriminaltechnik herbei. Unabhängig davon, was er gerade gesagt hat, weiß er nur allzu gut, dass auch die Toten etwas mit einem machen können. Und wie.
    Nervös geht er auf und ab. Wo er auch steht, fühlt er das tote Auge des Mädchens auf sich ruhen. Er kann ihm nicht entgehen. Dieser lichtlose Blick verschlingt ihn. Lässt ihn nicht los.
    Als er merkt, was passiert, ist es zu spät. Ein Geruch hat sich ausgebreitet, der nur in seinem Geist existiert. Blumen. Verrottete Blumen. Vor den Leichen und vor dem Denkmal stehend, einer unförmigen Gedenktafel aus grauem Stein, murmelt er ein flehentliches: »Nein.«
    Er knirscht mit den Zähnen, versucht, sich zur Wehr zu setzen. Sein Gesicht verzerrt sich durch etwas, das ihn von innen erfasst. Er kneift die Augen zu, bis es schmerzt. Die Muskeln verspannen sich. Er wird zu einem einzigen Fleischblock, starr. Er fängt an zu zittern, wird von Krämpfen geschüttelt.
    Der
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