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Die toten Frauen von Juárez

Die toten Frauen von Juárez

Titel: Die toten Frauen von Juárez
Autoren: Sam Hawken
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doch die tiefen Reifenspuren erweckten den Eindruck, als wäre der Boden damals aufgeweicht gewesen. Sevilla versuchte sich zu erinnern, wie das Wetter in den Tagen gewesen war, bevor man Palomas Leichnam gefunden hatte, aber er erinnerte sich nicht. Er fluchte verhalten und ging weiter.
    Die vierte Seite der Halle grenzte an einen leerstehenden Parkplatz. Eine Außentreppe führte zum ersten Stock. Rost flockte von den Metallgitterstufen, als Sevilla hinaufging. Die Tür oben wies dieselbe orangerote Färbung auf. Eine doppelt um den Griff geschlungene Kette sicherte die Tür, doch ein Schloss war nicht zu sehen. Sevilla zog einmal daran und hoffte, die Kette würde sich auf wundersame Weise lösen, aber sie gab nicht nach.
    Damit hatte er die Halle umrundet und begab sich zum Auto zurück. Er fuhr weg und kam nach einer Stunde mit einem schweren Bolzenschneider wieder, an dem noch das Preisschild klebte. Mit dem großen Werkzeug fühlte sich Sevilla auf der Straße schutzlos allen Blicken preisgegeben, entdeckte aber niemanden, der ihn aus einem Fenster beobachtet hätte, und kein einziges Auto störte die nahezu vollkommene Stille.
    Die Kette ließ sich leichter durchschneiden, als er erwartet hatte. Der gehärtete Edelstahl durchtrennte ein Glied, dann das nächste. Die Kette rutschte aus dem Türgriff, fiel vor Sevillas Füßen zu Boden und gab dabei ein Geräusch von sich, als würden hundert Tonnen Altmetall ausgekippt. Sevilla kniff die Augen zusammen und horchte, ob sich im Inneren etwas rührte. Es blieb still.
    Die Tür führte in einen kleinen Raum, der halb voll mit verrosteten Fässern war, die nach Benzol rochen. Sevilla trat in eine stinkende Flüssigkeit. Balken des Aluminiumdaches über ihm lagen bloß, durch Löcher schien die Sonne herein. Vögel hatten da oben Nester gebaut, aber irgendwann mussten die Dämpfe sie vertrieben haben.
    Sevilla versuchte sein Glück an der nächsten Tür und fand sie unverschlossen. Er ließ den Bolzenschneider liegen und trat ein.
     
    Man konnte unmöglich sagen, was die Halle früher einmal beherbergt hatte. Der erste Stock bestand aus einem Irrgarten von Räumen unterschiedlicher Größe, teils leergeräumt, teils noch mit Maschinen und Geräten bestückt. In einem fand er eine unbezogene Matratze auf dem Boden sowie kleine Tische voll Kerzenwachs, dessen Tropfen dicke Stalagmiten und weiße Wachshaufen auf dem Betonboden gebildet hatten. Haken aus Stahl, an denen Seilschlingen baumelten, waren an den Wänden befestigt.
    Sevillas Mund wurde trocken. Er schluckte dreimal, um den Speichelfluss wieder in Gang zu bringen, doch der Geschmack in seinem Mund wurde nicht besser.
    Er ging nach unten.
    Durch die hohen Fenster fiel Licht in das geräumige Erdgeschoss der Halle wie in eine schlichte Kathedrale ohne Buntglasfenster. Graffiti in leuchtenden Neonfarben bedeckten die Hohlblockwände. In den Ecken lagen weggeworfene und zerschellte Bierflaschen. Jemand hatte versucht, den riesigen Raum der Fabrikhalle mit Planen abzuteilen, die wie Gobelins herabhingen, doch die Planen waren nüchtern grau und manchmal mit Flecken verunstaltet, bei denen es sich um dunkle Farbe handeln mochte.
    Die Kampfarena dominierte den Raum. Dicke Seile, von einer Metallsäule zur anderen gespannt und mit Draht und elastischen Kordeln am Platz gehalten, wiesen den Bereich aus. Die Größe entsprach in etwa der eines Boxrings, aber es gab keine Matten. Eine dicke Schicht Sägemehl bedeckte den nackten Betonboden, teilweise mit etwas verklebt, bei dem es sich ohne jeden Zweifel um Blut handelte.
    Vor dem Ring stand ein langer Tisch, die festliche Tafel eines Feudalherrn, mit einem großen, thronartigen Sessel in der Mitte, der dem Fürsten persönlich vorbehalten blieb. Ein Dutzend Männer fanden an der Tafel Platz, um sich die Kämpfe anzusehen, und auch wenn der Tisch jetzt nackt, zerkratzt und abgesplittert aussah, würde er für die Festivitäten entsprechend geschmückt werden.
    In einem anderen, kleineren Bereich nahe dem hinteren Ende befand sich ein Zwinger für Hundekämpfe. Hier bedeckten braunfleckige Teppiche und Absperrungen aus Pappe den Boden, die alle deutliche Krallenspuren aufwiesen. Schließlich fand er eine weitere große Matratze, diese mit billigen Laken darauf. Ringsum lagen kleinere. Sevilla atmete tief durch die Nase ein und den Mund wieder aus, doch die wachsende Übelkeit ließ nicht nach.
    Er floh die Treppe hinauf in das Zimmer mit den Fässern zurück. Dort
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