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Die toten Frauen von Juárez

Die toten Frauen von Juárez

Titel: Die toten Frauen von Juárez
Autoren: Sam Hawken
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einen Schritt zurück. Ein linker Haken erwischte ihn kalt, die rechte Kombination an den Oberkörper schüttelte ihm die Eingeweide durch. Er hielt die Hände hoch, aber nicht dorthin, wo sie sein sollten, daher schlug ihn der Junge links-rechts, links-rechts, und er ging zu Boden, während die alten Männer beim Anblick des Blutes johlten.
    In den Staaten hätte der Ringrichter eingegriffen, als Kellys Kopf auf dem Boden aufprallte, aber dies waren nicht die Staaten. Kellys Nase blutete wieder wie ein Sturzbach. Der mexikanische Junge stand über ihm. Ein weiterer Schlag kam von oben herab und löschte bei ihm alle Lichter aus. Erst dann ertönte der Gong. Der Ringrichter hob die Hand des mexikanischen Jungen hoch, und Kelly Courter wurde für jeden im Raum unsichtbar.

ZWEI
    Möglicherweise gab es eine Garderobe in der Arena, aber nicht für
bolillos.
Für Kelly und Vidal hatte man einen Winkel im hinteren Teil der Herrentoilette reserviert. Während betrunkene
viejos
ein und aus gingen und regen Gebrauch von der Pissrinne machten, half Vidal Kelly, das Klebeband von den Fäusten zu lösen und sich umzuziehen. Er säuberte Kellys Gesicht so gut er konnte, aber er war Cutman und kein Arzt.
    Feuchtigkeit ließ die grüne und weiße Farbe von den Wänden abblättern. Die Männer lachten und beleidigten Kelly auf Spanisch, weil sie glaubten, dass er sie nicht verstehe, doch er verstand sie sehr gut. »Sein Gesicht sieht aus wie ein Teller
frijoles refritos
«, sagte einer der alten Männer. Kelly hätte darauf etwas erwidern können, sah sich jedoch im Spiegel und wusste, dass sie so falsch nicht lagen; der mexikanische Junge hatte ihm die Fresse poliert.
    Vidal drückte mit den Daumen von beiden Seiten auf Kellys Nase, bis der Knorpel knirschte. Ein stechender Schmerz bohrte sich in Kellys Stirn, und nochmals, als Vidal Klebeband über den Nasenrücken zog, damit alles an Ort und Stelle blieb. Kelly würde eine ganze Weile mit zwei Veilchen herumlaufen.
    Ortíz kam herein. Der Raum stank nach Urin und Scheiße. Kein Hauch frischer Luft in diesen vier Wänden. Ortíz sah aus, als würde er sich in so einer Klitsche nicht einmal die Hände waschen, selbst wenn das Becken funktioniert hätte. Er holte ein Bündel amerikanischer Banknoten aus der Jackentasche und zählte zweihundert Dollar ab.
    »Was hältst du von Federico?«, fragte er.
    Kelly gab Vidal zwei Zwanziger. Der alte Mann steckte das Geld ein und packte zusammen. »Ich finde, er schlägt hart zu«, sagte Kelly.
    »Oh ja«, stimmte Ortíz zu. »Ohne Handschuhe könnte er einen töten.«
    »Dann kann ich ja von Glück sagen, dass er welche anhatte.«
    Draußen vor der Toilette drehte die Menge wieder auf. Kellys Kampf war nicht der einzige, der auf der Tagesordnung stand, doch die anderenKämpfe trugen die Bohnenfresser unter sich aus. Jetzt, da die Zuschauer Blut gewittert hatten, würden die Wettgeschäfte wie geschmiert laufen.
    »Soll ich dir ein Taxi rufen lassen?«, fragte Ortíz.
    »Ich will kein Geld zum Fenster rauswerfen.«
    »He, das geht auf mich, Kelly.«
    Vidal war schon zur Tür hinaus. Kelly stand auf. Seine Reisetasche und das Jackett befanden sich in einer Kabine mit kaputter Toilettenschüssel. Ortíz’ Geld verschwand in Kellys Tasche. »Du hast mich schon bezahlt. Und ich bin kein Scheißkrüppel«, sagte Kelly. »Ich find allein raus.«
    »He,
amigo «
, sagte Ortíz, »nächsten Monat hab ich vielleicht was für dich, wenn deine Knochen bis dahin wieder heil sind. Soll ich dir Bescheid geben?«
    In einem Monat würden die Platzwunden verheilt, die Blutergüsse abgeschwollen sein. Und das Geld wäre verschwunden. Die einzige unveränderliche Konstante war die Nachfrage nach Gringoblut.
    »Ja, okay«, sagte Kelly und ging.
     
    Es war heiß und noch hell auf der Straße. Kelly hätte gleich ins Bett gehen können. Die Leute, die nichts mit den Kämpfen zu tun hatten – zu anständig, um Interesse aufzubringen oder zu gebildet, um es zuzugeben –, verstanden nicht, was ein Kämpfer im Ring alles gab. Jeder Schweißtropfen hatte seinen Preis, genau wie jeder Schlag, den man austeilte oder einsteckte. Kelly war erschöpft, er hatte alles gegeben.
    Er ließ die Boxer-Absteige hinter sich. Alte Autos standen auf beiden Straßenseiten dicht an dicht an den bröckelnden Bordsteinen. Neben dem Eingang klebten reihenweise Plakate für die Kämpfe. Kelly konnte die Zuschauer noch hier draußen brüllen hören.
    Er besaß kein Auto, weder alt noch
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