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Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi

Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi

Titel: Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
Autoren: Rebecca Michéle
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hätte sich aufgeschlagen, schaute sie hinunter. Ihr Atem stockte und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie zwinkerte mehrmals mit den Augen, sagte sich, sie müsse sich irren, denn das hier gab es nicht wirklich. Das alles spielte sich im Bruchteil einer Sekunde ab, dann realisierte Mabel in voller Deutlichkeit, dass vor dem Kamin ein regungsloser Mensch lag. Es war zu dunkel, um mehr zu erkennen, Mabel kniete sich nieder und tastete zielsicher nach der Halsschlagader der Person. Die Haut war kalt, und Mabel konnte keinen Puls fühlen. Sie versuchte es auf der anderen Halsseite – ohne Erfolg. Dann fühlte sie ein Seil unter ihren Fingern und fuhr erschrocken zurück. Mit einem Mal war sie ganz ruhig. Hier lag ein Mensch, der womöglich noch ihre Hilfe brauchte. Als Krankenschwester war sie daran gewöhnt, persönliche Gefühle auszuschalten und das zu tun, was getan werden musste. Als Erstes brauchte sie Licht. Sie tastete nach dem Schalter der neben dem Sofa stehenden Stehlampe und erkannte, alsdas Licht aufflammte, dass es sich um eine junge Frau handelte. Allerdings kam hier jede Hilfe zu spät, denn ihre Augen waren weit aufgerissen und schienen Mabel voller Entsetzen anzustarren, die Zunge hing geschwollen und dunkel verfärbt aus dem Mundwinkel. Die Frau war mit einem Strick um den Hals erdrosselt worden.
    Mabel hatte in ihrem Leben zahlreiche Tote gesehen, manche waren sogar in ihren Armen gestorben, aber die Tote hier war sicher nicht älter als Mitte zwanzig und eindeutig keinem natürlichen Tod zum Opfer gefallen. Obwohl es eine schreckliche Situation war, blieb Mabel ganz ruhig. Ihr fiel auf, dass die Tote ein seltsames Kleid aus dunkelgrauem derben Stoff und darüber eine weiße Schürze und eine ebensolche Haube trug. Das Gewand sah aus wie ein historisches Kostüm, war weder schmutzig noch abgetragen. Kurz hob Mabel einen Arm der Toten, um festzustellen, ob die Leichenstarre bereits eingesetzt hatte. Die Muskulatur war noch recht weich und beweglich, das Mädchen musste also erst vor kurzem ermordet worden sein.
    Wie automatisiert ging Mabel zum Schreibtisch, griff zum Telefon und wählte die Notrufnummer 999. Nach nur einmaligem Läuten wurde auf der anderen Seite abgenommen: „Polizeirevier Liskeard. Was kann ich für Sie tun?“
    „Mein Name ist Mabel Clarence und ich spreche von Higher Barton aus. Hier liegt eine Tote in der Bibliothek. Sie ist eindeutig erdrosselt worden und …“
    „Das zu beurteilen, überlassen Sie doch bitte unseren Leuten!“, wurde Mabel scharf unterbrochen. „Sofern es überhaupt stimmt und Sie sich nicht einen üblen Scherz erlauben. Higher Barton, sagten Sie? Der Herrensitz zwischen Looe und Polperro?“
    „Genau dieser, Inspektor, und ich erlaube mir ganz gewiss keinen solch makabren Scherz. Sie müssen so schnell wie möglich herkommen.“
    „Ich werde die Dienststelle in Lower Barton informieren, dass sie jemanden vorbeischicken. Bis dahin rühren Sie nichts an. Haben Sie verstanden?“
    „Selbstverständlich, ich schaue schließlich regelmäßig Krimis im Fernsehen“, entgegnete Mabel, die sich in Anbetracht der Arroganz des Inspektors diese Bemerkung nicht verkneifen konnte. Dann drückte sie die rote Aus-Taste am Telefon und ging zur Tür, die in die große Halle führte. Es half nichts, sie musste jemanden wecken, bevor die Polizei kam. Schließlich war hier ein Mord geschehen. Dass das Mädchen ermordet worden war, stand für Mabel außer Frage, denn kein Mensch beging Selbstmord, indem er sich selbst mit einem Strick von hinten erdrosselte, und ein Unfall schied ohnehin aus. Mabel lief so schnell sie konnte zu den Wirtschafträumen. Vielleicht war dort schon jemanden wach? Sie hatte Glück, unter der Küchentür schimmerte ein Streifen Licht hervor und sie hörte leises Gemurmel. Mabel riss die Tür auf und stolperte in die Küche, in der es warm war und der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee in der Luft lag.
    Ein Paar mittleren Alters saß am Tisch und die Frau schenkte gerade zwei Tassen ein. Es handelte sich um das Hausmeisterehepaar Penrose, die vor wenigen Minuten aufgestanden waren, um in aller Ruhe zu frühstücken, bevor ihr Tagwerk begann.
    „Wer zum Teufel sind Sie, und wie kommen Sie hier herein?“
    George Penroses Hand fuhr automatisch zu einem auf dem Tisch liegenden Messer, obwohl von der zierlichen Frau mitdem grauen praktischen Kurzhaarschnitt wohl kaum Gefahr zu erwarten war.
    Mabel wurde schwindlig und sie klammerte sich Halt
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